Markus Brier: "Die letzten Jahre waren Frust"

Markus Brier letzten Jahre
Markus Brier letzten Jahre(c) EPA (Gerry Penny)
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Markus Brier gewann 2006 als erster Österreicher ein Golfturnier auf der European Tour, 2012 verlor er Tourkarte. Ans Aufhören denkt der Wiener trotzdem nicht.

Sie haben nach 13 Jahren in Serie auf der European Tour vergangene Saison die Tourkarte verloren. Heuer haben Sie bislang einen Cut und eine Qualifikation verpasst. Haben Sie die Entscheidung, doch weiterzumachen, inzwischen bereut?

Markus Brier: Überhaupt nicht. Ich habe schon die letzten zwei Jahre schlecht gespielt, und so will ich auf keinen Fall aufhören. Dazu macht mir Golf zu viel Spaß. Auch wenn ich ehrlich zugeben muss, dass es in den letzten eineinhalb Jahren eher sehr viel Frust gewesen ist.

Warum tun Sie sich das dann noch an?

Einfach, weil ich sehr gern Golf spiele. Ich bin überzeugt, dass ich es noch kann und auch Turniersiege noch möglich sind. Der Ehrgeiz ist weiterhin da. Ich könnte aufhören, aber dieses Bedürfnis habe ich momentan nicht.

2006 feierten Sie bei den Austrian Open als erster Österreicher einen Sieg auf der European Tour. 2012 belegten Sie ex aequo mit Ex-Tennisprofi Jewgeni Kafelnikow Platz 115. Was geht einem da durch den Kopf?

Das habe ich erst nachher erfahren, es ist für mich nebensächlich. Es war ein schlechtes Turnier, wie zu viele in letzter Zeit. Es war der Anlass, etwas an der Technik zu verändern, was leider nicht aufgegangen ist. Das Wichtigste ist, meine Konstanz wiederzufinden. Das geht nur über Selbstvertrauen.

Wie gelingt es, in solch einer Negativphase den Blick für das Positive nicht zu verlieren?

Ich versuche, die Gefühle aus der Zeit um 2006 abzurufen, als ich am besten gespielt habe. Damals habe ich nicht anders geschwungen als jetzt und nicht großartig darüber nachgedacht. Vielleicht tut mir diese Turnierpause gut, um mit einem ganz frischen Rhythmus wieder bei Null anzufangen. Im Training habe ich nach Langem wieder auf Ergebnis gespielt, um Druck aufzubauen. Sich selbst Druck zu machen ist schön und gut, doch wie ich wirklich damit umgehe, sehe ich erst beim nächsten Turnier Ende April.

Was haben Sie in diesem Karrieretief über sich selbst gelernt?

Mir ist klar geworden, dass ich es in den letzten Jahren zu genau machen wollte. Selbst bei Kleinigkeiten habe ich krampfhaft versucht, diese sofort auszumerzen, anstatt es einfach passieren zu lassen. Dadurch hatte ich letztlich einfach zu viele offene Baustellen. Jetzt geht es darum, dass ich Golf spiele, denn es ist nur ein Spiel.

Aber auch in einem Spiel muss man Ziele verfolgen...

Genau das ist die Krux. Wenn ich mir Ziele vorgebe, baue ich Erwartungen auf. Ich kann aber nicht in ein Turnier hineingehen und sagen, ich muss jetzt unter die Top Ten kommen. Das Grundprinzip ist immer noch, jeden Schlag so gut wie möglich zu machen, dann passt am Ende hoffentlich auch die Gesamtsumme. Diese Saison spiele ich sicher fertig, und das Endziel ist die Tourkarte. Mittelfristig muss ich Ende Juni entscheiden, ob ich es weiter auf der European Tour versuche oder mich auf die Challenge Tour konzentriere.

Sie haben in Ihrer Karriere bisher vier Millionen Euro verdient. Spüren Sie jetzt noch einen finanziellen Druck?

Vom Bruttopreisgeld bleibt einem nur die Hälfte, und eine volle European-Tour-Saison kostet ca. 120.000 Euro – ausgesorgt habe ich also nicht. Zum Glück sind mir Sponsoren geblieben, und da ich jetzt weniger spiele, kostet es auch weniger. Ich kann mir den Luxus gönnen, ein Jahr zu spielen ohne Geld verdienen zu müssen. Auf Dauer geht das nicht, dann muss ich mir etwas anderes überlegen. Ich arbeite bereits ein bisschen mit Golfplatzdesign und Spielerbetreuung. Pläne und Ideen habe ich genug – fad würde mir auch in der Pension nicht werden.

Es ist ruhiger um Sie geworden. Sind alle üblichen Schulterklopfer verschwunden?

Mein Team steht weiter hinter mir, und einige Journalisten fragen immer noch nach. Ich habe damit überhaupt kein Problem, ich bin ohnehin nicht jemand, der jeden Schritt kundtun muss. Ich genieße auch die Zeit mit meiner Familie. Man muss aber klar sagen, dass es nicht nur ruhiger geworden ist, weil ich schlechter spiele, sondern weil es erfreulicherweise mit Bernd Wiesberger und Martin Wiegele auch andere Österreicher gibt, um die sich die Medien kümmern können.

Wiesberger und Wiegele sind neben Ihnen die einzigen österreichischen Toursieger. Wie beurteilen Sie eigentlich die Entwicklung des Golfsports in Österreich?

Mehr geht immer, aber für ein kleines Land ist es schon sehr gut, zeitweise drei Spieler auf der Tour zu haben. In den letzten Jahren ist definitiv etwas weitergegangen. Verbessern muss sich vor allem die finanzielle Struktur, aber in Zeiten wie diesen Sponsoren zu finden, ist nicht leicht. Die Schwierigkeit in der Förderung liegt sicher darin, auf jeden Spieler einzeln einzugehen. Golf ist ein Einzelsport, und daher muss man jedem diese Individualität lassen.

Sie sind seit 18 Jahren als Profi unterwegs. Wie hat sich der Sport allgemein verändert?

Er ist auf jeden Fall athletischer geworden. Rory McIlroy oder Tiger Woods sind Modellathleten. Das Schöne für mich ist aber nach wie vor, dass man nicht sagen kann, wie jemand ausschauen muss, um erfolgreich zu spielen. Es gibt Übergewichtige, die niemals einen Marathon schaffen würden, und das allein mit Gefühl machen. Das ist für mich die wahre Faszination. Die andere Seite ist die technische Entwicklung. Neben Fortschritten beim Material gibt es heutzutage viel mehr Trainer und wohl 17.000 verschiedene Schwungtechniken. Die eine richtige existiert aber nach wie vor nicht, die muss jeder für sich selbst finden.

Glauben Sie, dass das Olympia-Comeback 2016 in Rio de Janeiro auch in Österreich Entwicklungshilfe leisten kann?

Eine olympische Sportart hat immer mehr Aufmerksamkeit. Mit Hilfe der Ministerien und des ÖOC schafft Golf hoffentlich den Sprung in die Schulen, um eine breitere Basis zu schaffen. Im Moment wird kein Kind von sich aus auf die Idee kommen, Golf zu spielen.

Sie selbst laufen Gefahr, diesen Abschlag zu verpassen.

Der steht weit hinten auf meiner Liste. Momentan heißt es für mich Schlag für Schlag, Monat für Monat. Ich liege in der Weltrangliste um Platz 600 (640, Anm.), für Olympia muss es wohl um 200 werden. Andererseits sind es noch drei Jahre. Wenn es bis dahin wieder läuft – ich will es nicht ausschließen.

Steckbrief

1968
wurde Markus Brier am 5.Juli in Wien geboren.

1976
stand er erstmals mit seinen Eltern auf dem Golfplatz in der Freudenau.

1995
wurde er nach dem erfolgreichen Abschluss des BWL-Studiums in Wien Golfprofi.

1999
sicherte ihm Rang drei in der Jahreswertung der Challenge Tour das Ticket für die European Tour im nächsten Jahr.

2006
gewann er die Austrian Open und damit als erster Österreicher auf der European Tour. Ein Jahr später folgte der Sieg bei den China Open.

2012
verpasste er in der Qualifying School erstmals nach 13Jahren die Tourkarte.


Markus Brier ist seit 1998 verheiratet und lebt mit seiner Familie in Wien. Neben dem Golfsport engagiert er sich in der Markus-Brier-Foundation, die junge Golfer begleitet und fördert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2013)

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