Claudia Piñeiro: Mord und höhere Mächte

Claudia Pieiro Mord hoehere
Claudia Pieiro Mord hoehere(c) Unionsverlag
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Eine Reichen-Enklave, eine aufgeschlitzte Kehle und eine Autorin, die recherchiert: Warum soll ein Krimi nicht aus Argentinien kommen?

Um gleich einmal das Rätsel um den Titel zu lösen: „Betibú“, das ist ein Spitzname, abgeleitet von Betty Boop, Flappergirl aus den Dreißigern und die erste explizit weibliche Comicfigur. Die Schriftstellerin Nurit Iscar trägt diesen Namen, weil sich ihr Ex-Lover an Betty Boop erinnert fühlt. Besagter Ex ist Chefredakteur einer argentinischen Tageszeitung und setzt Iscar auf einen Kriminalfall an: In „La Maravillosa“ wurde ein Mann mit aufgeschlitzter Kehle gefunden – wie ein Jahr zuvor dessen Frau.

„La Maravillosa“ ist dabei im Klappentext mit „Wohnsiedlung“ nur unzulänglich beschrieben. Tatsächlich handelt es sich um eine „Gated Community“, eine schwer bewachte Reichen-Enklave am Rand von Buenos Aires. Da es kaum Fakten zu berichten gibt, soll Iscar Atmosphärisches liefern. Mit dem Gespür der Krimiautorin und der Hilfe eines frisch gefangenen und eines ausrangierten Kriminalreporters bringt sie dabei den Mord mit anderen Todesfällen in Verbindung. Und stellt nicht nur die Zunft des Journalismus infrage. Nur dass sich die Polizei nicht für die Entdeckungen zu interessieren scheint.

All das ist eher langsam erzählt, man blättert trotzdem gern um: Bestsellerautorin Claudia Piñeiro zeichnet ihre Figuren gut; unbefriedigend bleiben Iscars schmalzige Ergüsse für die Zeitung, ein etwas wackeliges Motiv – und der (realistisch?) ungewisse Ausgang: Dass die Diktatur vorbei ist, heißt hier nämlich noch nicht, dass keine höheren Mächte am Werk wären. Und damit sind nicht jene des neuen argentinischen Papstes gemeint. tes

Claudia Piñeiro: „Betibú“, übersetzt von Peter Kultzen, Unionsverlag, 352 Seiten, 22,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2013)

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