Haslauer: "Wer fährt enormere Verluste ein?"

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ÖVP-Chef Wilfried Haslauer erkennt eine"gewisse Kollateralverantwortung" als Teil der Regierung und schließt einen Gang in die Opposition nicht aus.

Die Presse: War die Entscheidung für Neuwahlen richtig?

Wilfried Haslauer: Ja. Es geht nicht um einen reinen Kriminalfall. Seit 2008 wurden von der SPÖ Verluste aus den Spekulationsgeschäften vertuscht. Die Gewinne sind vom Finanzressort als private Spielbüchse verwendet worden. Man hätte damit die Schulden des Landes zurückzahlen können. Beim panikartigen Verkauf von Wertpapieren im Herbst entstand ein Verlust von 200 Mio. Euro, und uns wurde gesagt, es sei alles in Ordnung. So kann man nicht zusammenarbeiten.

Glaubt man den Umfragen, wird die ÖVP am

5.Mai enorme Verluste einfahren. Gibt es eine persönliche Schmerzgrenze?

Die Frage ist, wer fährt noch enormere Verluste ein. Mein Ziel ist, Nummer eins zu werden. Salzburg muss aus der Krise geführt werden. Burgstaller und ihre SPÖ haben gezeigt, dass sie es nicht können. Irgendwer muss das Heft in die Hand nehmen und aufräumen.

Die Umfragen sehen die ÖVP fünf Prozentpunkte unter dem Ergebnis 2009.

Wir wissen, dass die Wahl für die ÖVP eine schwierige Sache ist. Ich möchte so nahe wie möglich an das Ergebnis 2009 herankommen. Die Stimmung ist gut, aber wir müssen uns anstrengen.

Ihr Wunschpartner für eine Koalition?

Das hängt vom Wahlausgang ab und davon, welches Arbeitsprogramm möglich ist. Nur um des Regierens willen in die Regierung zu gehen, ist sinnlos. Wir werden uns die Personen sehr genau ansehen. Es kann nicht die erste Aufgabe sein, einander zu bekämpfen, wie das jetzt neun Jahre der Fall war. Für die ÖVP ist auch ein Gang in die Opposition vorstellbar.

Kommt die FPÖ nach der „Umvolkungs“-Aussage ihres Obmanns Karl Schnell als Partner infrage?

Ich schließe grundsätzlich keine Partei als möglichen Partner aus. Inhaltlich lehne ich die Aussage von Karl Schnell natürlich strikt ab. Ihm geht es vor allem um die Aufmerksamkeit, die mit so einer Provokation verbunden ist. Diese Aussage ist strikt abzulehnen und eine reine Provokation.

Warum sollte Ihnen der Wähler seine Stimme geben? Immerhin waren Sie neun Jahre Teil der Regierung?

Ich habe das Finanzressort nicht geführt und eine gute Leistungsbilanz in meinen Ressorts. Wenn der Kassier mit Vereinsgeld ins Casino geht, wird auch nicht der Trainer entlassen.

Sehen Sie sich als Trainer dieser Regierung?

Ich bin nicht der Trainer und nicht der Präsident. Ich bin aber auch nicht dazu da, die Regierungskollegen zu bespitzeln.

Die ÖVP ist neun Jahre in der Regierung gesessen. Hat man da keine Verantwortung?

Es gibt immer eine gewisse Kollateralverantwortung in der Öffentlichkeit. Denn die Regierung ist die Regierung. Heute stellt sich die Frage, ob wir in diesem Maß hätten vertrauen dürfen. Aber die Aufgabe einer Regierung ist Zusammenarbeit und nicht gegenseitige Bespitzelung. Die Kontrolle liegt beim Landtag und beim Rechnungshof. Wir haben keine Chance gehabt, das mitzubekommen.

Die Schulden des Landes belaufen sich laut Rechnungshof auf 4 Mrd. Euro. Ist Salzburg pleite?

Meine Schätzung ist, dass nach Beendigung aller Geschäfte ein Gesamtschaden von 200 Millionen Euro übrig bleibt, der zu den rund 800 Millionen Euro Schulden aus dem ordentlichen Haushalt dazukommt. Wie ein Häuselbauer werden wir über 25 Jahre die Schulden zurückführen. Wenn wir jedes Jahr 40 Millionen Euro abbauen, müsste sich das ausgehen.

Sie haben eine neuerliche Koalition mit Gabi Burgstaller dezidiert ausgeschlossen. Was hat die Landeshauptfrau falsch gemacht?

Zu viel Selbstdarstellung, zu wenig Inhalt. Führungsschwäche, Schönreden und keine Problemlösungskompetenz. Was bleibt denn über von ihrer Regierung? Skandale.

Welche Bilanz ziehen Sie aus der Arbeit des U-Ausschusses?

Völlige Desorganisation in der Finanzabteilung, es war ein politisches Vertuschungs- und Täuschungsmanöver. Das wirkliche Ausmaß der Spekulation geht weit über das hinaus, was Anfang Dezember bekannt war. Meiner Meinung nach sollte der Untersuchungsausschuss nach der Wahl fortgesetzt werden. Die historische Aufarbeitung der Geschäfte war ja noch überhaupt kein Thema. Verluste kann man erst beurteilen, wenn man den Einstandspreis für die Geschäfte kennt.

Wird die ÖVP nach der Wahl einen neuerlichen Antrag zur Einsetzung eines U-Ausschusses zum Finanzskandal stellen?

Das schließe ich nicht aus.

Sind Sie für die Aufweichung des Bankgeheimnisses?

Nein. Der Staat steckt seine Nase schon jetzt in viel zu viele Lebensbereiche hinein. Es muss auch einen Schutz der Persönlichkeitssphäre geben. Bei einem strafbaren Verhalten ist es ohnehin möglich, Konten zu öffnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2013)

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