Junge Forschung

Blaulicht bei Entzündung

Anna Stierschneider arbeitet mit Begeisterung an Problemen, deren Lösungen den Patientinnen und Patienten helfen werden.
Anna Stierschneider arbeitet mit Begeisterung an Problemen, deren Lösungen den Patientinnen und Patienten helfen werden.Lukas Aigelsreither
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Die Biotechnologin Anna Stierschneider forscht an lichtgesteuerten Zellen. Sie sollen als neuartiges Modellsystem bessere Erkenntnisse über Sepsis und Pankreaskarzinom bringen.

Es ist ein unscheinbares Gerät, das Anna Stierschneider herzeigt: Mit nur etwa der Größe einer Handfläche ist es jedoch das Kernstück ihrer Forschung: „Es ist eine Platte mit 96 Elektroden, die man über ein Steuerungselement einschalten kann“ , erklärt sie.

Die Biotechnologin forscht an der IMC FH Krems in der Arbeitsgruppe von Christoph Wiesner mittels Optogenetik. Dabei werden zelluläre Rezeptoren auf Gen-Ebene mit einem lichtsensitiven Molekül fusioniert. „Wir haben die sogenannte Light-oxygen-voltage-Domäne aus gelb-grünen Algen isoliert und an den Toll-like-Rezeptor (TLR) angehängt. Damit können wir diesen mit blauem Licht bei 470 Nanometern so einschalten, wie es ein natürlicher Bindungspartner des Rezeptors tun würde“, sagt Stierschneider.

„Der TLR4 ist Teil des angeborenen Immunsystems und detektiert gewisse Muster von Pathogenen oder Gewebsverletzungen. Dadurch startet das Immunsystem, das Pathogen wird getötet oder die Gewebsverletzung verheilt wieder. Bleibt dieses System allerdings dauerhaft eingeschaltet, kann es zu Sepsis führen“, erklärt die 31-jährige Wachauerin.

Simulieren der Sepsis in den Zellen

Im bisherigen Modellsystem mussten immer die natürlichen Aktivatoren (Liganden) für den Rezeptor zugegeben werden. Mit der Kopplung an die lichtsensitive Domäne kann der Rezeptor mittels Lichts gesteuert werden und ersetzt den natürlichen Bindungspartner. So kann Sepsis in Zellen gezielt simuliert werden, wie Stierschneider sagt: „Normalerweise nimmt man einen Liganden, der auf den Rezeptor bindet und so den Signalweg einschaltet. Der Nachteil ist, dass die Liganden nicht nur an den einen Rezeptor binden, sondern an viele verschiedene. Mit der Lichtsteuerung hat man eine sehr hohe räumliche und zeitliche Präzision, nur diesen einen Rezeptor einzuschalten.“

Nicht nur für das generelle Verständnis des Mechanismus von Sepsis ist das neue Zellmodellsystem aus Niederösterreich ein Vorteil, auch in der Medikamentenentwicklung wird es eingesetzt. „Das System ist ein gutes Tool für die angewandte Forschung. Man provoziert künstlich Sepsis und kann dann beim Medikamententest schauen, ob der Rezeptor blockiert wird“, erklärt Stierschneider.

Ein weiteres Forschungsgebiet von Stierschneider sind Pankreaskarzinome: „Wir haben herausgefunden, dass der TLR4 stark dafür verantwortlich ist, dass der Pankreas noch andere Gewebe befällt.“ Hierbei bietet das lichtgesteuerte System noch einen weiteren Vorteil, wie Stierschneider sagt: „Normalerweise macht man In-vitro-Modelle in 2-D, also als einschichtigen Zellrasen. Das spiegelt aber den Körper nicht wider, weswegen es sinnvoll ist, Versuche in 3-D-Sphäroiden, also einer Art Zellkugeln, zu machen. Mit dem Licht erreicht man dabei dann auch die inneren Zellen, im Gegensatz zu Liganden, die man nur auf die Oberfläche aufbringen kann.“

»Die Lichtsteuerung ermöglicht eine sehr hohe räumliche und zeitliche Präzision, um diesen Rezeptor einzuschalten.«

Mentales Durchhaltevermögen

Wenn Anna Stierschneider von ihrer Arbeit erzählt, merkt man sofort ihre Begeisterung: „Es ist einfach schön, an etwas zu forschen, bei dem man weiß, es gibt eine Problemstellung in der Medizin und man kann etwas damit verändern.“ Wie wichtig die Forschung für Patientinnen und Patienten ist, konnte Stierschneider bei einem Aufenthalt im Salzburger „EB-Haus“ während ihres Bachelors erfahren. „Epidermolysis bullosa (EB) ist die Erkrankung der ,Schmetterlingskinder‘, deren Haut beim kleinsten mechanischen Stress aufreißt. Da weißt du einfach jeden Tag, warum du ins Labor gehst.“

Dennoch ist es für die Wissenschaftlerin auch wichtig, Ausgleich zur Laborarbeit zu bekommen: „Ich bin sehr sportlich und glaube, das braucht man in der Forschung auch für das mentale Durchhaltevermögen.“ So findet man die 31-Jährige oft auf Klettersteigen, beim Laufen und Radfahren in freier Natur. Bis es dann wieder ins Labor geht, um neue und bessere Lösungen für medizinische Probleme zu finden.

Zur Person

Anna Stierschneider (31) beschäftigt sich an der IMC Fachhochschule Krems mit Optogenetik. Sie entwickelt Zellmodelle, in denen ein Immunrezeptor mit Licht ein- und ausgeschaltet werden kann. Die Wachauerin schloss im April 2023 ihr Doktoratsstudium „Regenerative Medicine“ an der Universität für Weiterbildung Krems ab.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

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