Interview

„Lasst doch die erwachsenen Menschen leben, wie sie wollen“

Der Wissenschaftler und Autor Martin Schröder studierte in Osnabrück, an der SciencesPo Paris und in Harvard. „Die Presse“ traf ihn zum Interview in Wien.
Der Wissenschaftler und Autor Martin Schröder studierte in Osnabrück, an der SciencesPo Paris und in Harvard. „Die Presse“ traf ihn zum Interview in Wien. Caio Kauffmann
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Der Soziologe Martin Schröder hat Zehntausende Datensätze untersucht und kommt zum Schluss: Frauen fühlen sich weder beruflich noch privat benachteiligt.

Frauen geht es viel besser, als der Feminismus es uns glauben lässt, sagen Sie. Eine gewagte These. Vor allem, wenn sie ausgerechnet von einem Mann kommt. Was führt Sie zu diesem Befund?

Martin Schröder: Mein Zugang ist der: Ich sehe mir einen Diskurs zu einem Thema an, und dann überprüfe ich anhand von Daten, ob die Behauptungen stimmen. Alle reden darüber, ob es den Menschen gut oder schlecht geht, ich schaue nach. In Deutschland gibt es dafür eine tolle Datengrundlage: das Sozio-oekonomische Panel. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung befragt seit 1984 jedes Jahr Zehntausende Menschen zu ihrer Lebenssituation. Das ist ein repräsentativer Querschnitt durch die Gesellschaft. Es zeigt sich eine relativ hohe Zufriedenheit, ungefähr 7,4 von zehn Punkten. Und zwar bei Männern wie bei Frauen. Die von Feministinnen aufgestellte These, dass es Frauen immer noch schlechter geht als Männern, lässt sich mit den Daten also nicht untermauern.

Frauen fühlen sich also gegenüber Männern nicht benachteiligt?

Sie sind es auch nicht. Die Daten zeigen, dass Frauen heute in Deutschland, und das kann man jedenfalls auf Österreich umlegen, weder im beruflichen noch im privaten Leben gegenüber Männern benachteiligt sind. Forschungen zeigen beispielsweise, dass Arbeitgeber in frauendominierten Berufen Frauen bevorzugen, Männer allerdings nie signifikant bevorzugen. Ausländer und Behinderte werden durchaus noch diskriminiert, Frauen jedoch nicht mehr, wenn man sie mit identisch qualifizierten Männern vergleicht.

Aber die Daten zeigen doch unbestritten auch: Frauen übernehmen den überwiegenden Teil der Hausarbeit und Kindererziehung, sie verdienen im Durchschnitt weniger als Männer, haben geringere Pensionen, pflegen viel öfter Angehörige.

Zunächst muss man sagen, dass viel davon stimmt. Frauen übernehmen den Großteil der Hausarbeit, das zeigen die Daten klar. Der Unterschied ist signifikant. Und sie machen auch den Großteil der Kindererziehung. Bei der Hausarbeit sind Frauen auch unzufrieden mit der Ungleichverteilung. Es ist also lang nicht alles in Butter. Aber was die Kindererziehung betrifft: Wenn Frauen gefragt werden, sagen sie, dass sie auch gern mehr machen wollen als die Männer.

Vielleicht, weil sie glauben, dass es gesellschaftlich von ihnen erwartet wird.

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