Am 8. Mai sollen die Kämpfer der "Arbeiterpartei Kurdistans" die Türkei verlassen. Der Abzug soll "schnellstmöglich abgeschlossen sein".
Die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zieht ihre Kämpfer aus der Türkei ab. Der Rückzug in den Nordirak werde am 8. Mai beginnen, sagte PKK-Kommandant Murat Karayilan am Donnerstag im Hauptquartier der Rebellen in den nordirakischen Kandil-Bergen, wie die PKK-nahe Agentur Firat News meldete. Damit tritt der Ende vergangenen Jahres gestartete türkisch-kurdische Friedensprozess in eine neue Phase ein.
Der inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan hatte die PKK Ende März zu einem Waffenstillstand und einem Rückzug ihrer Kämpfer aus der Türkei aufgerufen. Öcalan verhandelt seit Ende vergangenen Jahres in der Haft mit dem türkischen Geheimdienst MIT über eine friedliche Beilegung des Kurdenkonflikts, dem seit 1984 mehr als 40.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Im Gegenzug für das Ende des bewaffneten Kampfes fordert Öcalan die Garantie kurdischer Rechte durch den türkischen Staat.
Nach Schätzungen der türkischen Regierung halten sich etwa 1500 PKK-Kämpfer im Osten und Südosten der Türkei auf. Sie sollen nun in den Norden des Irak abziehen, wo die PKK mehrere Stützpunkte unterhält. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Rebellen mehrfach zugesagt, die türkische Armee werde sie beim Rückzug nicht angreifen.
Karayilan sagte, der Abzug werde gestoppt, falls die PKK-Einheiten angegriffen würden. Nach einem Bericht der Zeitung "Hürriyet" sollen die aus der Türkei nach Nordirak kommenden Rebellen von Sicherheitskräften der kurdischen Autonomiebehörde im Irak in mehreren Auffanglagern untergebracht werden.
Seit knapp 30 Jahren kämpft die PKK, die Arbeiterpartei Kurdistans, für die Autonomie der Kurden in der Türkei. Seit dem Beginn des bewaffneten Kampfes im Jahr 1984 starben dabei mehr als 45.000 Menschen. Mehrere Millionen wurden aus ihren Dörfern vertrieben. Für einige Zeit keimte Hoffnung auf durch den Friedensprozess mit der türkischen Regierung. Doch nachdem türkische Kampfjets im Juli PKK-Lager angegriffen hatten, kündigte die PKK nun den Waffenstillstand auf. Ein Überblick über den blutigen Konflikt. (c) AP (Petros Karadjias) Mit etwa zwölf Millionen Menschen stellen die Kurden die größte ethnische Minderheit in der Türkei - sie machen rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Bereits seit dem 11. Jahrhundert leben sie im Grenzgebiet zwischen der heutigen Türkei, dem Irak und Syrien. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde den Kurden zunächst ein Selbstbestimmungsrecht zugestanden, das allerdings durch den Vertrag von Lausanne 1923 wieder aufgehoben wurde. (c) APA Seither haben die Kurden mit verschiedenen Organisationen versucht, ihre Unabhängigkeit zu erlangen. Die bekannteste ist die 1978 gegründete Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Als Gründer der PKK gilt Abdullah Öcalan. (c) EPA (WAEL HAMZEH) Lange Zeit blieb die PKK allerdings isoliert. Erst durch die Öffnung der Bewegung auch für nicht-marxistische Kurden und eine verstärkte internationale Öffentlichkeitsarbeit konnte sich die PKK ins Bewusstsein der internationalen Staatengemeinschaft vorarbeiten. (c) EPA (SEDAT SUNA) Am 27. November 1978 versammelte der damalige Politikwissenschaftsstudent Öcalan im Dorf Fis in Südostanatolien seine Gefolgsleute und gemeinsam beschloss man die Gründung der PKK. Das Ziel der marxistisch-leninistischen orientierten Organisation lautete, durch einen Guerillakrieg eine kommunistische Revolution zu erreichen und anschließend einen eigenen kurdischen Staat zu gründen. (c) AP (Michel Euler) Nach langer Vorbereitungszeit wurde am 15. August 1984 die Guerillaorganisation Befreiungskräfte Kurdistans gegründet. Noch am selben Tag besetzten Einheiten der Organisation die beiden Kleinstädte Semdinli und Eruh in den Provinzen Hakkari und Siirt für einen Tag und attackierten dort türkische Polizeistationen und Militäreinrichtungen. (c) AP (MURAT GEZER) Als Reaktion verhängte die Türkei am 19. Juli 1987 den Ausnahmezustand über 13 kurdische Provinzen. Dieser blieb in einigen Regionen bis zum Jahr 2002 aufrecht. 1989 kam es in dem türkischen Dorf Ikiyaka zu einem von der PKK verübten Massaker an 28 Dorfbewohnern, die meisten davon waren Frauen und Kinder. Daraufhin verstärkte die Türkei ihren Kampf gegen die PKK massiv. (c) EPA (Tolga Bozoglu) Bis 1990 kämpften etwa 200.000 Soldaten, 70.000 Polizeibeamte, 25.000 kurdische Dorfschützer und 1500 Anti-Terror-Spezialisten auf Seiten der türkischen Sicherheitsorgane gegen 2500 PKK-Rebellen. Im Jahre 1993 gab die PKK offiziell das Ziel auf, einen eigenen Kurdenstaat zu gründen. Seitdem strebt sie eine kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung innerhalb des türkischen Staates an. (c) AP (IBRAHIM USTA) Mit Ausrufung des Ausnahmezustandes begannen die türkischen Kräfte alle Bewohner kurdischer Dörfer, die verdächtigt wurden, die PKK zu unterstützen, gewaltsam zu deportieren und ihre Häuser nieder zu brennen. Nach offiziellen türkischen Angaben wurden bis 1997 insgesamt 3100 Dörfer zerstört. (c) AP (KEVIN FRAYER) Bis 1999 kam es immer wieder zu Anschlägen, Entführungen und Verschleppungen. Der Druck auf PKK-Führer Öcalan wurde so groß, dass er ins Exil nach Kenia flüchtete. Am 15. Februar wurde er in einer akkordierten Aktion internationaler Geheimdienste in die Türkei verschleppt, festgenommen und zum Tode verurteilt; die Strafe wird nach Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei 2002 in lebenslange Haft umgewandelt. (c) AP In seiner Verteidigungsrede rief Öcalan zum Frieden und Dialog auf und rief die bewaffneten Kräfte auf, sich hinter die Grenzen der Türkei zurückzuziehen. Der befürchtete Bürgerkrieg blieb aus. Die kurdische Guerilla zog sich größtenteils zurück und richtete im Norden des Irak die sogenannten Medya-Verteidigungsgebiete ein. (c) EPA (WAEL HAMZEH) 2002 löste sich die PKK offiziell auf. Ihre Nachfolgeorganisation KADEK hatte allerdings idente Führungsstrukturen und Mitglieder. Ende 2003 wurde die KADEK in Kongra-Gel umbenannt und im Juni 2004 der seit der Verhaftung Öcalans geltende Waffenstillstand aufgekündigt. Im Juni 2007 erfolgte schließlich die Umbenennung zu Koma Civakên Kurdistan - nach wie vor ist aber der Name PKK am geläufigsten. (c) AP (PHILIP MARK) Die Europäische Union stuft die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen jedenfalls als Terrorgruppen ein. Im Zuge der EU-Beitrittsgespräche gab Ankara den Kurden mehr kulturelle Rechte, aber Zugeständnisse für mehr Autonomie blieben aus. Der Kurdenkonflikt und seine politischen Folgen gelten als ein Haupthindernis für Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU. (c) AP (Murad Sezer) Am 20. März 2005 wurde der Demokratische Konföderalismus als politisches Konzept proklamiert. Umgesetzt werden soll dieses Konzept von der Organisation Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans. Die Deklaration sieht die Bildung von staatstypischen Strukturen vor: Eine eigene Staatsbürgerschaft, eine eigene Armee, eine eigene Gerichtsbarkeit, ein eigenes Parlament, eigene Wirtschafts- und Finanzstrukturen und eine eigene Fahne. Dies steht im Widerspruch zu vorherigen Erklärungen, auf einen eigenen Staat zu verzichten. (c) REUTERS (MURAD SEZER) Im Herbst 2007 verstärkte die türkische Armee ihre Truppen im Südosten. Sie sollten die PKK innerhalb der Türkei bekämpfen und das Einsickern von Kämpfern aus dem Nordirak unterbinden. Nach einer Serie von kurdischen Angriffen und dem Tod von 30 Soldaten innerhalb von zwei Wochen stand die Regierung unter hohem Druck, ihr Vorgehen zu verschärfen. Das Parlament gab grünes Licht für grenzüberschreitende Einsätze. (c) EPA (Stringer) Am 21. Februar 2008 marschierte die türkische Armee in das Nachbarland ein. Am 29. Februar zogen die Truppen wieder ab. (c) AP (BURHAN OZBILICI) Ende Dezember 2012 gab der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan an, dass die türkische Regierung Gespräche mit Öcalan wieder aufgenommen hat, um die PKK "zu einer Niederlegung der Waffen zu bewegen". Getrübt wurde diese durch die Ermordung dreier weiblicher PKK-Mitglieder am 10. Jänner in Paris. (c) EPA (KAY�NIETFELD) Anfang 2011 erklärte die PKK einen Waffenstillstand bis nach den Parlamentswahlen am 12. Juni. Außerdem wurde bekannt, dass der Staat insgeheim Gespräche mit dem inhaftierten Öcalan führte, um den bewaffneten Konflikt zu lösen. Dann aber verschärfte sich der Konflikt abermals: Im August bombardierte die türkische Luftwaffe über 60 Ziele, kurz darauf tötete die Armee über 90 PKK-Kämpfer. Ende September entführte die PKK daraufhin mehrere Türkischlehrer und den den Zivilisten Abdullah Öztürk, den sie anschließend töteten. (c) EPA (Ibrahim Yakut) Der Nordirak gilt als PKK-Rückzugsgebiet. Seit dem Ende der Herrschaft von Saddam Hussein können die irakischen Kurden ihre Angelegenheiten in einem autonomen Gebiet weitgehend selbst regeln. Die türkische Regierung befürchtet, dass die PKK den Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien nutzt, um sich dort in Kurdengebieten weitere Rückzugsräume zu sichern. (c) AP Trotz der Vorbehalte verliefen die Verhandlungen zwischen der türkischen Regierung und der PKK-Führung offenbar erfolgreich. Öcalan fordert nun neben dem Waffenstillstand auch eine politische Lösung des Konflikts. Ministerpräsident Erdoğan sicherte den PKK-Kämpfern einen freien Abzug aus der Türkei zu (c) AP Der blutige Kampf für einen Kurdenstaat (APA/Reuters/AFP)
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