Island und die Rückkehr der Crashpiloten

Island Rueckkehr Crashpiloten
Island Rueckkehr Crashpiloten(c) REUTERS (SIGTRYGGUR JOHANNSSON)
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Die Linkskoalition von Premier Sigurđardóttir, die nach dem Bankencrash von 2008 die Konservativen ablöste, dürfte die Parlamentswahl vom Samstag verlieren. Die Sieger sind wieder - die Konservativen.

Die zwölf Kilometer von Reykjavik in die Satellitenstadt Kopavogur dauern zu Büroschluss gut eine halbe Stunde, denn die Finanzkrise, die Island samt seinem Volk Ende 2008 fast in den Bankrott geschickt hätte, hat den Verkehr kaum gelichtet. In Kopavogur wohnen nicht die Ärmsten, die Häuser sind chic, es gibt viel Grün – doch überall stehen halb fertige Ruinen, deren Bauherren in der Krise das Geld ausging. Viele Häuser stehen leer, zum Verkauf angeboten, meist vergeblich.

„Solange man Arbeit hat, geht es“, sagt Hakon Sigurdsson, ein 39-jähriger Pharmazeut, der sein Haus 2006 gekauft hat, als geldgestützter Optimismus blühte und alle Isländer dachten, es gebe nur ein Aufwärts. „Wenn aber der Job weg ist, wird es hart.“ Sein Nachbar zog nach Norwegen, als er arbeitslos wurde, seine Familie blieb da, weil man das Haus nicht loswurde. Sigurdsson und seine Frau wollten ihren Töchtern mehr Platz bieten, kauften ihr Haus als Rohbau für 50 Millionen Kronen; 330.000 Euro wären das heute, doppelt so viel war es damals. Dann steckten sie noch viele Millionen hinein.


Eine Frage der Häuser. Heute weiß er nicht, wie er die Schulden, die er aufnahm, als die Banken einem das Geld nachwarfen, tilgen soll. „Ich hab 30 Millionen geborgt und abgezahlt“, doch die Bank will weitere 50,9 Millionen. Grund: Es gab zwei Arten verhängnisvoller Kredite. Entweder in Fremdwährung zu billigen Zinsen – da explodierte die Schuld, als nach dem Bankenkrach Ende 2008 die Krone halbiert wurde. Oder man borgte Kronen – dann wuchs der Kredit mit der Inflation, was okay war, falls der Wert der Häuser rascher stieg. Doch als der Immobilienmarkt einstürzte, fielen die Hausbesitzer in den Schuldenkeller.

Der Staat sprang, unterstützt von Geldern des IWF und mehrerer Staaten, in ärgsten Fällen ein und tilgte Schulden, die über 110 Prozent des Immobilienwerts betrugen. „Aber zehn Prozent der Haushalte können ihre Rechnungen nicht mehr zahlen, 50 Prozent haben große Probleme“, sagt Sigmundur Gunnlaugsson (38), Chef der rechtsliberalen Fortschrittspartei. Sie dürfte, das zeichnete sich bei der Parlamentswahl am Samstag ab, Teil einer neuen Rechtsregierung werden: Laut Prognosen dürfte die Fortschrittspartei fast 25 Prozent der Stimmen der 230.000 Wahlberechtigten einsacken, etwas weniger als der vermutliche Sieger, die „Unabhängigkeitspartei“ Bjarni Benediktssons (43) mit vermutlich 28 Prozent.

Die Linkskoalition von Premierministerin Jóhanna Sigurđardóttir (70, sie tritt selbst nicht mehr an) dürfte unter ihrem jetzigen Führer Árni Árnason mit 24,5 Prozent fürs Krisenmanagement seit 2009 bestraft werden – obwohl sie jene konservative Regierung, die die Misere mitverursacht hatte, ablöste, nachdem Massenproteste die Konservativen zum Abgang bewogen hatten.

Wut auf die Aufräumer. „Vier Jahre später sind wir weiter zornig und bezichtigen einander des Verrats, der Dummheit und Feigheit“, sagt der Autor Hallgrímur Helgason. Doch die Wut richte sich nicht gegen die, die Island alles einbrockten, sondern gegen die, die aufräumen wollten. „Die Linksregierung hat uns vor Chaos und Bankrott bewahrt, das Aufräumen leitete eine Frau. Nun schreien die verantwortungslosen Männer, die Schuld an allem hatten, dass sie nicht schnell genug aufräumte.“

Die Regierung habe aber die Schuldenfrage „vermasselt“, meint Benediktsson, habe über die EU-Beitrittsgespräche gezankt und sei an Reformen von Fischereipolitik und Verfassung gescheitert. Und obwohl die wirtschaftlichen Leitdaten wieder stimmen und IWF und führende Ökonomen das Krisenmanagement der Linksregierung lobten, haben viele Wähler schlicht Angst um ihre Häuser – und so wurde das zum Entscheidungsthema.

Gunnlaugsson will die Schulden für alle um 20 Prozent senken, Benediktsson den von Ex-Premier Sigurđardóttir initiierten EU-Beitritt abbrechen. „Brandstifter sollten nicht Feuerwehr spielen“, warnt indes Volkswirt Thorvaldur Gylfason. „Das Volk will die Parteien zurück, die uns den Krach bescherten“, poltert der Poet Helgason.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2013)

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