Leitartikel: Das Halbjahr der ÖVP

Leitartikel Halbjahr oeVP
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Salzburg gedreht, Niederösterreich & Tirol gehalten, Kärnten überlebt, Heeresbefragung abgestaubt: Spindeleggers Karten sind gut. Jetzt müsste er sie ausspielen.

Ausgerechnet Kärnten ist der argumentative Strohhalm, an den sich Werner Faymann nun klammert. Die Wende im südlichen Bundesland war sein einziger Erfolg. Gabi Burgstallers schwere Niederlage ist hingegen Rückschlag Nummer vier: die grundlos vom Zaun gebrochene Heeresdebatte mit abschließendem Volksbefragungsdebakel; ein schwerer Verlust in Niederösterreich und die Marginalisierung der Tiroler SPÖ standen davor auf dem innenpolitischen Programm.

Umgekehrt hat die ÖVP tatsächlich über die veröffentlichten Erwartungen hinaus punkten können: Wilfried Haslauer konnte trotz historisch schlechtestem Ergebnis Salzburg drehen, Erwin Pröll hielt Niederösterreich eindrucksvoll, Günther Platter Tirol überraschend mit nahezu winzigen Blessuren, in Kärnten darf Wolfgang Waldner mit Mini-Minus mitregieren und die Wehrpflicht ist seit Jänner ÖVP-Tugend. Vom Jahr der ÖVP plaudern Strategen bereits. Doch ein Halbjahr macht noch keinen Sieg bei der Nationalratswahl. Da kommt es auf Wien, Oberösterreich und die Steiermark an. (Niederösterreich dürfte aus SPÖ-Sicht verloren sein.) Das weiß Michael Spindelegger, der den Seinen Triumphgeheul untersagen sollte. Gerade gegenüber Gabi Burgstaller klingt das sehr, sehr unangebracht, wenn man selbst im Boot saß, das versenkt wurde.
Die Kanzlerschaft, den Sprung auf Platz eins, trauen Spindelegger viele - auch in der ÖVP - nicht zu. Das sagt viel über die Agonie der Bündepartei, in der Partikularinteressen stets mehr wiegen als eine Idee, wie man das Land gestalten möchte.

Auch Wolfgang Schüssel - mit Mascherl und roter Brille - wurde von kaum jemandem zugetraut, zum stärksten ÖVP-Politiker der vergangenen Dekaden aufzusteigen. Spindelegger habe nicht Schüssels Machtinstinkt, meinen viele. Stimmt vielleicht, aber Werner Faymann ist auch kein Umfragekaiser wie einst Viktor Klima.
Wichtiger als die Frage, wer welchen Stimmtrainer oder PR-Berater zwecks Wahlkampfauftritt engagiert, ist die inhaltliche Positionierung. Spindelegger hat es - nach den Korruptionsaffären in der ÖVP - mit einem Stabilisierungskurs versucht, einer Art schrägem wirtschaftsliberalem ÖAAB-Kurs. Weniger Steuern für brave Angestellte, aber auch Her-mit-dem-Zaster-Rufe für die Besetzung in der Neiddebatte, sonntägliches Unternehmerlob, aber kein zu lautes Bekenntnis zum Industriestandort Österreich.

Aber genau dafür wäre jetzt der ideale Zeitpunkt: Wenn Spindelegger in wenigen Tagen seine programmatische Rede in der Hofburg hält, könnte und müsste er sich als Lucky Winner der vergangenen Wochen ein paar klare Botschaften erlauben und diese formulieren: keine Abkehr von der Schuldenminimierung in der EU, daher uneingeschränkte Unterstützung für Angela Merkel; neue Wege in der Energiepreispolitik, um nicht Arbeitsplätze und Steuern an die USA zu verlieren und Bekenntnis zu einer Steuersenkung für alle bei gleichzeitiger Kürzung der Staatsausgaben in dem selben Ausmaß.

Vor allem aber: auch den eigenen Reihen signalisieren, dass die Schulpolitik nicht die Gewerkschaft bestimmen kann. Ein klares Wort wäre auch in der Bienendebatte notwendig: Sich gegen ein Pestizidverbot zu stellen während Lebensmittelkonzerne wie selbstverständlich für Nachhaltigkeit werben, ist schlicht dämlich. So zu agieren wie Nikolaus Berlakovich lässt sogar Norbert Darabos blamable Ära als Verteidigungsminister verblassen. Kurz: Jetzt müsste Michael Spindelegger zeigen, dass er Herr in seinem Haus ist. Dann und nur dann hat er eine klitzekleine Chance.

Werner Faymann täte gut daran, trotz der Rückschläge nicht das zu tun, was seine Partei in nervösen Phasen immer gern tut: knapp vor der Wahl alles und jedem Geld zu schenken und teure Versprechen zu machen. Oder seinen Parteikrieger Norbert Darabos sofort mit neuen Details über die Taschengeldgestaltung der Familie Spindelegger oder der Schuhrechnung Maria Fekters von der Kette zu lassen.

Für beide gilt: Vermutlich müssen sie in ähnlicher Konstellation nach der Wahl fünf Jahre weiterwerken. Das will zwar keiner wirklich, aber echte andere Konstellationen wagt der Wähler an der Urne offenbar auch nicht

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

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