Die Hedonisten und die Streber

(c) EPA (ALONSO CUPUL)
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Der Jugendtourismus lässt Kassen klingeln. Während 13.000 österreichische Partyhungrige auf dem Massenevent Spring Break auf amerikanischen Spuren wandeln, wollen sich Jugendliche aus den Schwellenländern beim Reisen lieber bilden.

Komasaufen, durchtanzte Nächte, wummernde Bässe. In der Spring Break, den Frühlingsferien, lüften College-Studenten in den USA traditionell ihre strapazierten grauen Zellen aus, indem sie eine Woche lang ordentlich auf den Putz hauen.

Ein findiger Reiseveranstalter hat dieses zweifelhafte Kulturgut erfolgreich nach Europa importiert. Der Österreicher Dietmar Tunkel, Geschäftsführer der TUI-Marke Splashline, hat sich vor sechs Jahren auf einer USA-Reise angeschaut, was die Jugendlichen an ihren Lieblingsdestinationen wie Fort Lauderdale (Florida) oder Palm Springs (Kalifornien) so treiben, und ausgetüftelt, wie man das Event hierzulande populär machen könnte.

„Begonnen haben wir 2007 ganz klein, in Lignano, mit 1000 Leuten“, erinnert sich Tunkel. Jetzt, sechs Jahre später, ist die Spring Break in Umag, Kroatien, ein veritables Massenereignis. Auf der Homepage von Splashline zählt ein Countdown die Tage, Minuten und Sekunden zum Beginn der dreitägigen großen Sause am 30.Mai. 13.000Jugendliche aus Österreich, Deutschland und der Schweiz werden dort drei Tage lang abfeiern, was das Zeug hält. Diesmal wurde das Ereignis auch mit Fernsehspots beworben, hauptsächlich lukriert Dietmar Tunkel seine Kunden aber über soziale Netzwerke. Über 105.000 Fans zählt etwa die Facebook-Seite von Spring Break Europe. Für drei Tage All-inclusive-Party mit Unterhaltungsmarathon rund um die Uhr zahlt man 150 Euro.

Maturantenspaß. Das mit Abstand größte Standbein von Splashline sind aber Maturareisen. Die Zielgruppe Maturant hat Tunkel bereits 1992 für sich entdeckt. Mittlerweile buchen von den 27.000 Maturanten, die pro Jahr auf Maturareise gehen, 12.000 ihre Reise bei Splashline. (Der überwiegende Rest bucht bei der Eventagentur DocLX, die laut Eigenaussage verstärkt ein urbanes, etwas anspruchsvolleres Publikum anspricht.) 190 Außenmitarbeiter sorgen bei Splashline alljährlich dafür, dass die frohe Botschaft vom Feiern nach dem Prüfungsstress auch in die Schulen im hintersten Winkel des Landes getragen wird. „Hin und wieder sind wir beim Direktorium nicht so gern gesehen. Dann treffen wir uns mit den Jugendlichen eben anderswo“, sagt Tunkel. Dieses personalintensive Marketing ist Gold wert: Mittlerweile kann Splashline auf eine äußerst umfangreiche Kundendatenbank zurückgreifen. Denn wer seine erste Reise bei Splashline bucht, der macht das später, so behauptet zumindest der Veranstalter, wieder. Je früher die Prägung der Kunden, desto besser. Auf 150.000 gewartete Kundenadressen von ehemaligen Maturareisenden können Splashline und damit TUI zurückgreifen.

Einen Großteil des aufwendigen Unterhaltungsprogramms finanziert Splashline mit Sponsoren wie Coca Cola, Spark7 oder Red Bull. Viele Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass eine alkoholumflorte Dauerpartystimmung keine schlechte Voraussetzung ist, um sich im Bewusstsein zukünftiger Kunden festzusetzen. Von den 1,5 Mio. Euro, die den Veranstalter die Organisation der größten Maturantenparty Europas kostet, decken die Sponsoren 1,3 Mio. Euro ab. Trotzdem kostet die Maturanten bzw. deren Eltern eine Woche Dauerunterhaltung in riesigen All-inclusive-Clubs in der Türkei stattliche 1000 Euro.

14 Mio. Euro Umsatz hat Splashline, Österreichs Marktführer in Jugendreisen, 2012 generiert. Von den rund 300.000 Urlaubern, die jährlich bei TUI buchen, machen die jugendlichen Kunden mit 40.000 Buchungen immerhin rund 13 Prozent aus.

Goldgrube Flashpackers. Global betrachtet boomt jedoch ein ganz anderes Reisephänomen bei den Jugendlichen: Bildungsreisen. Laut Umfragen von Student Marketing, einem Beratungsunternehmen, das auf Investments und Marketing im Bereich Jugendreisen spezialisiert ist, suchen junge Leute im Reisen die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln, etwas dazuzulernen. Und auch diese Art Tourist ist eine Goldgrube. Er verreist nicht nur länger als der Durchschnitt, er gibt auch mehr aus. Die „Flashpackers“ (von „backpacker“, also Rucksacktourist und „flashy“, protzig, auffällig) bevorzugen zwar eher billige Unterkünfte, investieren dafür aber umso mehr in Unterhaltung und Shopping.

Reisen trotz Krise. Bildungstourismus ist offenbar krisenresistent. Das sieht man am Beispiel Spanien: „Die Gruppe der spanischen 18- bis 29-Jährigen reist seit dem Ausbruch der Krise 2009 mehr als vorher“, sagt Samuel Vetrak, Chef von Student Marketing. Er führt das darauf zurück, dass die jungen Leute erwarten, dass Reisen sich positiv auf ihre Bildung und Fremdsprachenkompetenz auswirkt. „Es gibt Studien, die belegen, dass internationale Reisen einen positiven Effekt auf die Schulleistung und die Karriereaussichten haben“, meint Vetrak.

Die größte Jugendmobilität kommt aber nicht aus Europa, sondern aus den Schwellenländern. Die wachsende Mittelschicht in den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schickt ihre Kinder immer öfter auf edukative Reisen, besonders gern auf Sprachcamps, bevorzugt in Europa, den USA und in Kanada. Äußerst reisefreudig ist laut Student Marketing die Jugend in China, Saudiarabien und Russland.

Mit 207 Millionen Ankünften und 185 Mrd. Dollar (143 Mrd. Euro) generieren junge Reisende zwischen 16 und 29 Jahren mittlerweile 20 Prozent der Umsätze im globalen Tourismus. Damit ist der Industriezweig größer als die Kaffee- oder Musikindustrie. Auch in Österreich steigt der Anteil jugendlicher Reisender kontinuierlich. Mit 4,5Millionen jugendlichen Ankünften wurde 2011 ein Marktwert von 2,6 Mio. Euro generiert.

Immer mehr Unternehmen wollen am Jugendreisekuchen mitnaschen. So baut etwa Ikea 100 Billighotels und Design-Hostels in Europa. Sportartikelhersteller Nike bietet Sportcamps an, ebenso die englischen Fußballteams Manchester United und Chelsea. Und auch die Regierungen von New York und Australien positionieren sich derzeit sich als Reisedestination mit Mehrwert für die Jugend.


Party vs. Bildung. Bei den Österreichern hat sich mit der Spring Break aus einem überschaubaren Saufgelage ein veritabler Wirtschaftsfaktor entwickelt. Jugendliche aus den Schwellenländern hingegen stillen nicht ihren Party-, sondern ihren Bildungshunger in Europa. So halten sich Strebsamkeit und Hedonismus zumindest global gesehen irgendwie die Waage.

REISELUST

Zielgruppe. Als „jugendlich“ gilt in der Tourismusbranche die Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen.

Marktwert. Junge Reisende generierten 2011 weltweit einen Marktwert von 143Mrd. Euro. In Österreich gaben sie 2011 2,6 Mrd. Euro aus, 2010 waren es 2,5Mrd. Euro.

Ankünfte. Weltweit sorgten die jungen Reisenden 2011 für 207 Millionen Ankünfte. In Österreich waren es 4,5 Millionen, ein Anstieg um 100.000 im Vergleich zum Vorjahr.

Partytourismus. An der in Österreich organisierten Spring Break in Umag, Kroatien, nehmen Ende Mai 13.000 Jugendliche teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2013)

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