Theophil Hansen: Das Erbe des Ring-Architekten

Theophil Hansen Erbe RingArchitekten
Theophil Hansen Erbe RingArchitekten(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In wenigen Wochen würde Theophil Hansen seinen 200.Geburtstag feiern. Mit Boris Podrecca, einem seiner ideellen Erben, auf den Spuren jenes Dänen, der Wien gebaut hat.

Für die einen ist es einfach ein Palais. Alte Mauern, renoviert, als Luxushotel wiedereröffnet. Nicht aber für Boris Podrecca. „Es ist im Takt des Herzens. Tripartito. Dreiteilig“, sagt er und klatscht einen Takt. Erklärt den Rhythmus des Einbaus neuer Elemente, das Zusammenspiel der alten Innenfassade des Hofs, der heute die Halle des Hotels Kempinski ist, mit dem neuen Lift, der lichtdurchlässigen Zwischendecke, die einen Garten trägt, die drei Lichtzonen. „So ein Gebäude ist ein komplexes Nervensystem. Aber es muss parlante bleiben, es muss erzählen“, sagt Podrecca. Und so war es lange akribische Arbeit. Länger als einst Theophil Hansen selbst hat Podrecca am Umbau des Palais am Schottenring gearbeitet, bis es schließlich, seinem von Hansen angedachten Zweck entsprechend, im März als Hotel neu eröffnet wurde. Hansen, jener dänische Architekt, der einige der imposantesten Bauwerke Wiens geplant hat, Parlament, Musikverein, Alte Börse, Arsenal, die griechische Kirche am Fleischmarkt, die Palais Epstein, Ephrussi oder Todesco, würde am 13. Juli seinen 200. Geburtstag feiern. Die Stadt würdigt ihn im „Hansen-Jahr“ mit zahlreichen Veranstaltungen und Ausstellungen. Wenige aber haben sich so genau mit Hansen befasst wie Podrecca. Er, einer der profiliertesten Wiener Architekten der Gegenwart, hat das Palais Hansen reanimiert, „schwer in die Bausubstanz eingegriffen“, wie er sagt.


Gemeinsame Geschichte. Hansen und Podrecca, die beiden teilen eine lange Geschichte. „Ich habe Hansen viel zu verdanken“, erzählt der in Triest geborene Architekt. Unter anderem den Start in die Topliga: Wurde Podrecca doch 1980 erstmals mit einer Arbeit in der Alten Börse zur Architektur-Biennale nach Venedig eingeladen. „Meine erste Begegnung mit Hansen war aber in Athen, in der Sternwarte, in den 1970er-Jahren konnte ich dort in der Bibliothek arbeiten.“

1843 war die Sternwarte Hansens erster Bauauftrag. Der Däne, als eines von sieben Kindern armer Eltern in Kopenhagen geboren, war nach Lehrzeit und Studium in Wien 1837, dank eines Stipendiums, seinem Bruder Christian nach Athen gefolgt. Acht Jahre später holte ihn Akademieprofessor Ludwig Förster nach Wien. Hier stieg Hansen zum Star auf. 1884 wurde er in den Freiherrenstand erhoben. Als er 1891 starb, wurde er in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof beigesetzt.


Wagner wuchs mit Hansen auf. Aber Hansens Spuren sind größer als die Bauten, die er plante. „Man spürt bei Hansen klar die nordische Zurückhaltung, alles Manierliche hat er abgelehnt“, sagt Podrecca. Damit habe er Wien Eleganz, Würde verliehen. Dieser Stil hat Hansens Schüler geprägt. „Otto Wagner ist auf Hansens Knien, als Kind, zum Architekten geworden“, erzählt Podrecca, schließlich waren die Familien befreundet. Wagner wuchs in einem Hansen-Bau, dem Haus Göttweihergasse 1, auf und hat später in Hansens Heinrichhof gegenüber der Oper, der heute nicht mehr existiert, gelebt. In jenem Bau, der als „schönstes Zinshaus der Welt“ gelobt wurde.

„Hansen hat das gründerzeitliche Erscheinungsbild dieser Stadt mehr geprägt als irgendein anderer Architekt“, betont Wolfgang Förster, der Leiter der Wiener Wohnbauforschung. Seine Zinshäuser definieren den Wohnbau der Gründerzeit, sein Modell des mehrgeschoßigen Wohnblocks wurde von Otto Wagner übernommen. Und der Däne hat schon damals Häuser in Bauteile und Stiegen unterteilt, sodass die Eigentümer diese flexibler verkaufen oder vererben konnten.

Wie im Palais am Schottenring, das ebenfalls aus acht Modulen besteht. „Das war eine absolute Neuerung“, sagt Podrecca. Seine damals unkonventionellen Ideen durchziehen die Stadt. Die Alte Börse etwa, der einzige Ring-Bau, der mit der Schmalseite zur Prachtstraße steht. „Hansen hat ein Jahr dafür gekämpft. Die Börse sollte eine Lokomotive für das dahinter liegende merkantile Viertel sein. Man sieht, Hansen war kein konventioneller Architekt. Er konnte kämpfen“, sagt Podrecca.

Hansen galt als akribischer Arbeiter, als Perfektionist. So hat er auch das Innenleben seiner Bauwerke gestaltet, unzählige Möbel- oder Geschirrentwürfe belegen das. Auch für sein bekanntestes Werk, das Parlament, hat er die gesamte Ausstattung, von Möbeln bis zu Details der Wandgestaltung, geplant. Das Parlament ist das nächste Hansen-Gebäude, das nach 130 Jahren demnächst saniert und umgebaut werden soll. Eine Aufgabe, die auch Boris Podrecca gereizt hätte. Er wurde aber gebeten, in der Jury des Architektenwettbewerbs tätig zu sein.


Erotische Verschränkung. Denn die Arbeit an Hansens Werk ist selbst für ihn besonders. „Ja schon!“, sagt Podrecca auf die Frage, ob er das Gefühl hat, der alte Hansen schaue ihm bei der Arbeit über die Schulter. „Es ist wohl eine Frage der Sensibilität, ob man so empfindet.“ Ein feines Gespür ist es auch, mit dem er das Palais Hansen mit Glasdächern, Stahlträgern und modernen Fassaden aus Lamellen ergänzt hat. „Ein Zusammenfügen von Alt und Neu“, sagt er und verschränkt seine Finger, „das hat fast etwas Erotisches.“

Erbe RingArchitekten
Erbe RingArchitekten(c) Die Presse / PA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2013)

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