Österreich erwägt Abzug von Golan-Höhen

Austrian Foreign Minister Spindelegger listens to Lieutenant-Colonel Glanner during his visit of the Austrian U.N. peacekeepers on the Israeli occupied Golan Heights
Austrian Foreign Minister Spindelegger listens to Lieutenant-Colonel Glanner during his visit of the Austrian U.N. peacekeepers on the Israeli occupied Golan HeightsREUTERS
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Waffenembargo. Für Außenminister Spindelegger sind EU-Gespräche über die Fortsetzung der Syrien-Sanktionen gescheitert. Sollten Frankreich und Großbritannien nun Waffen an Rebellen liefern, wäre Österreich am Golan nicht mehr "neutral".

Brüssel/APA/RED./LA Stundenlang hatten die EU-Außenminister in zähen Verhandlungen darüber beraten, ob die Gegner des syrischen Machthabers bewaffnet werden sollen. Dann, am Montagabend, verkündete Österreichs Außenminister Michael Spindelegger das Scheitern der Gespräche. „Es ist kein Konsens herausgekommen. Das ist sehr bedauerlich für uns. Das heißt, dass es mit 1. Juni keine Sanktionen geben wird." Danach steht es EU-Staaten de facto frei, Kriegsgerät an die Aufständischen zu liefern. Und damit würde auch ein Ende der österreichischen Blauhelmmission auf den Golan-Höhen zwischen Israel und Syrien naherücken.

Beratungen mit Ban Ki-moon

Das machte Spindelegger am Abend im Interview mit der Zeit im Bild 2 noch deutlicher als bisher: Wenn es zu Waffenlieferungen an die Rebellen komme, werde es „sehr sehr schwierig", den UN-Einsatz des Bundesheeres am Golan aufrechtzuerhalten. Zwar habe Österreich noch keine endgültige Entscheidung gefällt und werde noch mit UN-Generalsekretär Ban ki-Moon darüber beraten. Klar sei aber auch, dass Österreich bei einer Aufrüstung der Rebellen durch EU-Staaten nicht mehr als „neutrale Partei gesehen werde" - die Voraussetzung für die Mission der österreichischen Blauhelme.

Insgesamt sind rund 380 Bundesheer-Soldaten am Golan im Einsatz. Eine Strategie für den Abzug von den Golanhöhen hat das Bundesheer nach Auskunft von Brigadier Robert Brieger bereits ausgearbeitet.
Bei den Beratungen in Brüssel war das Gremium der EU-Außenminister war in mehrere Blöcke geteilt: auf der einen Seite Großbritannien und Frankreich, die die Aufständischen aufrüsten wollten, auf der anderen Seite 14 EU-Staaten, darunter Österreich, Tschechien, Finnland, Schweden und Rumänien, die strikt gegen Waffenlieferungen waren - und der Rest der Union zwischen den Fronten, wobei Deutschland die Rolle des ehrlichen Maklers beanspruchte. Noch am Montagabend, nachdem Spindelegger das Scheitern der Gespräche verkündet hatte, übte sich die deutsche Delegation in Optimismus: Die Verhandlungen um das Waffenembargo noch nicht endgültig geplatzt. „Ein Erklären des Scheiterns ist nach unserer Auffassung verfrüht".

Auch auf Betreiben Berlins war am Freitag zunächst eine Kompromissvariante auf dem Tisch gelegen: Demnach sollte Sperre der Waffenlieferungen an die Rebellen zwar grundsätzlich aufgehoben, aber erst später - etwa nach der für Juni geplanten Syrien-Friedenskonferenz - endgültig über die Aufrüstung der Aufständischen zu entschieden werden. Österreich wäre grundsätzlich bereit gewesen, ein politisches Signal für diese Konferenz zu senden, sagte nun Spindelegger. London habe aber versucht, durchzusetzen, dass Waffenlieferungen an die Rebellen dann in der EU nur noch einstimmig zu verhindern wären, so Spindelegger. Das wäre eine „völlige Verkehrung der Verhältnisse". Der Außenminister zeigte sich „verärgert" und sieht einen „bitteren Nachgeschmack".

Blamage für Diplomatie

Freitag Mitternacht laufen die EU-Sanktionen gegen Syrien aus. Ihr Ziel ist vorrangig der Assad-Clan, doch das Waffenembargo gilt auch für die Rebellen - einzige Ausnahme ist „nichtletale Ausrüstung" wie Funkgeräte, Helme etc. Der Beschluss über eine Verlängerung oder Veränderung des Sanktionsregimes musste einstimmig gefällt werden. Ohne die Einigung können Großbritannien und Co. theoretisch ab Samstag die Aufständischen mit Kriegsgerät versorgen - und Spindelegger geht davon aus, dass sie das auch tun werden. Die Uneinigkeit im Syrien-Konflikt ist eine schwere Belastungsprobe für die EU-Außenpolitik und letzten Endes eine totale Blamage der europäischen Diplomatie.

London prescht vor

Hague ließ am Montag keinen Zweifel daran, dass London diesen Preis in Kauf nehmen wird. Hilfe für die Rebellen sei „wichtiger, als dass die EU bei jedem Detail geschlossen bleibt", sagte der britische Außenminister. Die Briten sehen Waffenlieferungen als Mittel, um Assad bei der für Juni angesetzten Syrien-Konferenz in Genf zu Zugeständnissen zu zwingen. Die Unterstützung der libanesischen Hisbollah-Miliz hätte Assads Truppen einen strategischen Vorteil verschafft, den es nun auszugleichen gelte, so die Überlegung. Die Perspektive einer Aufrüstung seiner Gegner soll Assad also an den Verhandlungstisch bringen.

Die Gegner der Waffenlieferungen sehen das umgekehrt: Fallen die Sanktionen, hätten die Rebellen kein Interesse an Verhandlungen mit Assad - wobei sich die untereinander zerstrittenen Gruppierungen bis dato ohnehin nicht auf einen Forderungskatalog geeinigt haben.
Mindestens ebenso schwer wiegt die Befürchtung, die für den Kampf gegen Assad vorgesehenen Waffen könnten in die Hände der mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbündeten Kampftruppe al-Nusra fallen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2013)

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