Gastkommentar: Wie die neue Ausbildung Lehrer stärkt

neue Ausbildung Lehrer
neue Ausbildung Lehrer(c) Clemens Fabry
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Spätestens, wenn der Anlassfall gravierend ist, wenden wir uns in der Regel an Experten, an Vertreter einer Profession. Mit den Lehrerinnen und Lehrern ist das anders.

Die Expertengesellschaft ist ein Schlüsselbegriff in der Beschreibung unserer Zeit. Steigendes Wissen und die Ausdifferenzierung der Arbeitsbereiche haben dazu geführt, dass wir alle nur mehr in kleinen Bereichen Experten sind. Vor allem sind wir Laien. Ob wir zum Arzt gehen, zum Rechtsanwalt oder zum Installateur: Experten werden herangezogen, um spezielle Probleme zu lösen. Manchmal liefern wir uns den Experten einfach aus, manchmal handeln wir die vorgeschlagenen Maßnahmen mit ihnen aus. Das Vertrauen in Experten ist zwar bei Menschen unterschiedlich groß – manche gehen öfter zum Arzt oder zu mehreren Ärzten und manche versuchen immer noch, ihr Auto selbst zu reparieren – aber spätestens, wenn der Anlassfall gravierend ist, wenden wir uns an Vertreter einer Profession. Mit der Profession Lehrer/Lehrerin ist es anders.

Zur Autorin

Christa Koenne ist an mehreren Universitäten wissenschaftlich tätig und war Mitglied der Vorbereitungsgruppe für die neue Pädagogenausbildung.

Da wir in Österreich eine Unterrichtspflicht haben, werden Lehrer nicht freiwillig herangezogen. Es gibt einen Zwang, sich mit den Experten auseinanderzusetzen. Dazu kommt, dass Schüler nicht nur unterrichtet, sondern auch beurteilt werden. Eine heftige Intervention. Damit bietet das Tun der Experten konfliktschaffende Anlässe in den Familien; über nichts wird so viel gestritten wie über die Schule. Da Eltern aber vor allem indirekt mit den Lehrern in Verbindung stehen, liegt es nahe, im Konfliktfall ihre Professionalität infrage zu stellen.

Konflikte mit Eltern

Die Lehrer arbeiten nahe am Tun der Laien. Eltern leisten Erziehungsarbeit, sehen sich dabei aber nicht als Laien. Die Grundhaltung einer „natürlichen Professionalität“, die keine spezielle Ausbildung braucht, kennzeichnet die Sicht vieler Erwachsener. Damit kommen Lehrer rasch in Konflikt mit Eltern, Interventionen werden als Irritation der eigenen Identität wahrgenommen. Anders als in anderen Bereichen müssen die Pädagogen verstärkt Begründungen abgeben. Wie mit Laien, die „alles besser wissen“, kommuniziert werden kann, muss gelernt werden.

Die Profession des Lehrers, der Lehrerin besteht darin, Lernende dem eigenen Bildungsstand näherzubringen, also die Differenz zwischen Laien und Experten zu verringern. In gewisser Weise ist das eine paradoxe Intervention, die eine spezielle „Metaprofessionalität“ braucht. Ziel der neuen Ausbildung ist es, Lehrer in ihrem Professionsverständnis zu stärken. Die Gemeinsamkeit aller Pädagogen wird erkennbar, wenn sie einander, unabhängig vom konkreten Aufgabenfeld, in der Praxis begegnen. Eine „akademische Heimat“ für alle Vertreter der Profession wird die Qualität der Arbeit erhöhen und das Selbstverständnis der Lehrer und Lehrerinnen stärken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2013)

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