Nach dem Fall

Abgang. Eben noch mächtiger Manager, plötzlich der Position und des Status beraubt: Worüber CEOs stolpern und wie sie sich wieder fangen.

Warum scheitern CEOs?

Herbert Stepic war nicht darauf vorbereitet. Vergangenen Freitag gab der langjährige RBI-Vorstandsvorsitzende nach kurzem und heftigem Kampf seinen Rücktritt bekannt, in knappen Worten und frei von jener launigen Eloquenz, für die ihn Journalisten bei Schönwetterstimmung so liebten. Diesmal hingen schwere Wolken in der Luft.

Wir müssen uns um den 66-Jährigen keine wirtschaftlichen Sorgen machen. Vielmehr fragen wir uns, wie Alpha-Männer (und -frauen) Machtverlust verarbeiten. Was geht in ihnen vor, wenn die Scheinwerfer erlöschen?

Nun, zunächst einmal wird Herbert Stepic dieselbe Krisenkurve durchlaufen müssen wie jeder andere vom Schicksal Gebeutelte. Die Phase eins der Leugnung, des Nicht-wahrhaben-Wollens der persönlichen Katastrophe hat er wohl schon hinter sich. In Phase zwei bricht dann der Emotionssturm los. Je nach Temperament wird dieser von Wut, Aggression, Unsicherheit, Selbstzweifel oder nackter Zukunftsangst beherrscht. Wie sehr, hängt vom eigenen heimlichen Wunsch nach Veränderung ab: Wer selbst nicht mehr so recht wollte, tut sich leichter.

Machtvakuum


Die ersten Tage und Wochen danach gehören dem (hoffentlich) sauberen Abgang. Das hält noch eine Weile auf Trab. Das tiefe Loch folgt erst danach. Executive Coach Regina Jankowitsch empfiehlt vor allem eines: ausgiebig ausschlafen, sich vom permanenten Erschöpfungszustand befreien, in dem man die letzten Jahre, vielleicht Jahrzehnte, gesteckt hat. Auch einer längeren Auszeit kann sie einiges abgewinnen. Abstand nehmen ist auch geografisch gemeint: So mancher Sonnenkönig erspart sich damit die Erkenntnis, von früheren Bewunderern nun peinlich gemieden zu werden.

Auch das Fehlen der gewohnten Macht schmerzt. Als ob nicht jede berufliche Rolle ein Ablaufdatum hätte: Spätestens zur Pensionierung geht der damit verbundene Status verloren. Da wäre es hilfreich, schon in guten Zeiten mehrere tragfähige Lebenssäulen aufgebaut zu haben. Dann wäre die Frage, womit man nun die leeren Stunden füllt, ebenso leicht zu beantworten wie jene, wie man mit Partner und Familie umgeht, für die man bislang nie Zeit hatte.

Stolpersteinanalyse

In Coachingkreisen herrscht die Überzeugung, Familie und Freunde wären als Krisencoaches untauglich. Zu sehr sind sie in ihrer eigenen Befindlichkeit, ihrer eigenen Sorge um die Konsequenzen gefangen. Therapeuten und Coaches versprechen, unvoreingenommen durch Phase drei der Krisenkurve, die der Analyse, zu helfen. Es erfordert einiges an Selbstkritik und Ehrlichkeit, sich mit den Gründen für das Scheitern auseinanderzusetzen. Lag das (bei Stepic sicher nicht der Fall) an Minderleistung und chronischer Erfolglosigkeit, ist die Versuchung groß, die Schuld den Umständen zuzuschieben: Rationalisierungen, Fusionierungen oder auch neidige Rivalen sind beliebte Sündenböcke. Headhunter schwören, dass der wahre Grund meist die kulturelle Passung ist: Die Persönlichkeit des Geschassten (siehe Kasten) harmoniert nicht (mehr) mit der des Unternehmens.

Erst wenn das Alte verarbeitet ist, ist der Geist frei für Phase vier, die der Ideen für die Zukunft. Doch Zukunft ist relativ: Einen längeren Horizont als die nächsten zwei oder drei Jahre wagen die wenigsten anzupeilen, weiß Jankowitsch. Spitzenmanager, die mehr als sechs Jahre im selben Job überleben, sind selten.

Buchtipp: Susanna Wieseneder: „Karriere nach der Karriere“, Orell.

Insgesamt elf Verhaltensfehler listet BoardWorks International auf. Zumindest zwei davon finden sich bei jedem Manager:

1. Arroganz & Selbstüberschätzung
2. Melodram & leere Versprechen
3. Volatilität, Stimmungsabhängigkeit & Blatt im Wind
4. Übervorsicht
5. Misstrauen & Kontrollsucht
6. Abgehobenheit & Ignoranz
7. Spielchen spielen & Querschießen
8. Exzentrik ohne realen Output
9. Passiver Widerstand
10. Verzögernder Perfektionismus
11. Rückgratlosigkeit & widersprüchliche, wechselnde Zusagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2013)

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