In der Vergangenheit profitierten die radikalen Kämpfer unbeabsichtigt von westlicher Militärhilfe – das soll nicht mehr passieren.
Wien/Damaskus. Mittels finanzieller Unterstützung vom Golfemirat Katar, Saudiarabien und der Türkei sind die Rebellen im syrischen Bürgerkrieg schon bisher an Waffen gekommen. Dabei konnte nicht ausgeschlossen werden, dass auch die radikalen Gotteskrieger der al-Nusra-Front an Kriegsmaterial gelangen. So passierte es zumindest bei einer vom CIA vermittelten Waffenlieferung aus Kroatien. Sie landete bei der al-Nusra-Front, die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbündet ist. Ein Risiko, das bei den direkten US-Lieferungen nach Möglichkeit ausgeschaltet werden soll.
Denn die „Unterstützungsfront für das syrische Volk“, wie „Dschabhat al-Nusra li Ahl asch-Scham“ auf Deutsch heißt, ist unter den verschiedenen Rebellenformationen die vielleicht radikalste Gruppe im Kampf gegen die Herrschaft von Baschar al-Assad – und sicher kein Verbündeter der Amerikaner. Zuletzt haben ihre Kämpfer vor allem in der Stadt Aleppo ihre öffentliche Präsenz verstärkt: mit maskierten Kämpfern, die mit schwarzen Fahnen geschmückt auf Pick-ups in der Stadt patrouillieren.
Die Vereinigung wurde im September 2011 in der syrischen Stadt Homs unter dem Motto „Der Tod und nicht die Erniedrigung“ gegründet. Ihr Chef, Abu Mohammed al-Jolani, hat am 24. Jänner 2012 in einer ersten Erklärung die Bildung einer neuen Kampforganisation angekündigt. Al-Jolani ist auch bekannt unter seinem Spitznamen „al-Fatih“, der Eroberer. Die Front besteht aus etwa 6000 Mitgliedern. Ihr haben sich neben Syrern irakische Islamisten, Türken, Usbeken, Tschetschenen, Tadschiken, Bosnier und einige wenige Europäer angeschlossen.
Ideologieverbreitung im Internet
Al-Nusra setzt neben regulären Kämpfen auch auf Bombenanschläge und Selbstmordattentate. Sie wurde für mehrere Massaker an der Zivilbevölkerung und Strafmaßnahmen an „Ungläubigen“ verantwortlich gemacht. Doch die Organisation setzt nicht nur auf brutale Methoden. Sie verwendet auch moderne Kommunikationstechnologie, um ihre radikale Ideologie zu verbreiten. Die Homepage firmiert unter dem Motto „Weißer Leuchtturm für Medien und Produktion“. Al-Nusra nutzt außerdem das soziale Netzwerk Facebook und verschickt Nachrichten über den Miniblog Twitter. Die Homepage enthält nicht nur heroische Erzählungen von Kämpfern, sondern auch Analysen von Kommentaren anderer Medien über die Front selbst, Berichte von Schlachten, Videos und Aussagen von den al-Nusra-nahen religiösen Gelehrten. Im Internet ruft die Front zudem regelmäßig zu Unterstützungsaktionen auf. „Die Muslime, die Vermögen, Geld, Kraft haben, sollen die Syrer bei dem Krieg gegen al-Assad unterstützen“, hieß es etwa in einem Aufruf.
Organisation auf UN-Terrorliste
Die US-Regierung betrachtet die Gruppierung als Terrororganisation. Ende Mai 2013 nahm der UN-Sicherheitsrat die Organisation ebenfalls in seine Terrorliste auf.
Der Anführer der irakischen al-Qaida, Said Abu Bakr al-Hussein al-Baghdadi, hat im April 2013 angekündigt, dass die al-Nusra-Front nichts als eine Verlängerung der irakischen al-Qaida sei und rief die gemeinsame Vereinigung „Islamischer Staat Irak und Levante“ aus. Doch al-Qaida-Chef Aiman al-Zawahiri sprach sich gegen die „Übernahme“ aus. „Die al-Nusra-Front ist ein unabhängiger Arm von al-Qaida“, erklärte al-Zawahiri. Im syrischen Bürgerkrieg hat ihre Bedeutung auch als Einzelorganisation stetig zugenommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)