Nach dem angeblichen Befund über die Chemiewaffen-Angriffe des Assad-Regimes will der Westen mit der Aufrüstung der Rebellen die Offensive der syrischen Regierungstruppen brechen. Es droht ein militärisches Patt.
Die Stimme des Generals zitterte vor Erregung. „Wir können nicht länger warten. Alle Opfer waren umsonst, wenn wir nicht rasch Waffen geliefert bekommen“, beschwor der Oberbefehlshaber der „Freien Syrischen Armee“, Salim Idriss, kürzlich zu nächtlicher Stunde in Amman die Außenminister der „Freunde Syriens“. Anderenfalls werde der Kampf gegen das Assad-Regime in wenigen Monaten verloren sein.
„Wir brauchen panzerbrechende Waffen, Abwehrraketen gegen Kampfflugzeuge und Munition“, flehte der füllige Haudegen mit Schnauzbart seine sichtlich beeindruckten diplomatischen Zuhörer an und pochte erneut auf die Einrichtung einer Flugverbotszone. Den drohenden Kollaps seiner Armee schilderte er emotional, präzise und düster.
Denn die Moderaten unter den syrischen Aufständischen sind in den letzten Wochen so stark in die Defensive geraten wie nie zuvor. Unablässig werden ihre Stellungen im Norden, Osten und Süden des Landes von Hubschraubern und Kampfflugzeugen des Regimes bombardiert. Die verlorene Schlacht um Qusair hat die Moral der Assad-Gegner schwer erschüttert. Die Panzerkolonnen des Diktators dagegen rücken, unterstützt von 3000 bis 4000 Hisbollah-Elitetruppen, auf Homs und Aleppo zu, um beide Städte wieder ganz unter Kontrolle zu bringen. Die geplante internationale Friedenskonferenz scheint gescheitert, bevor sie überhaupt angefangen hat.
Gotteskrieger aus allen Ländern
Zudem treiben in den von Rebellen kontrollierten Gebieten immer mehr Gotteskrieger aller Herren Länder ihr Unwesen, ausgerüstet von Qatar und Saudiarabien. In Aleppo richteten neulich drei radikale Islamisten einen 14-jährigen Kaffeeverkäufer wegen angeblicher Gotteslästerung vor den Augen seiner entsetzten Eltern hin. Aufgebrachte Menschen zogen daraufhin vor das Hauptquartier der al-Nusra-Brigaden und machten ihrem Ärger gegen beide Seiten Luft – gegen die Schlächter von al-Qaida und die Schlächter von Assad.
Die angekündigten US-Waffenlieferungen, die die CIA über die Türkei organisieren soll, werden nicht auf Sturmgewehre und Munition beschränkt bleiben. Wie die „New York Times“ berichtet, soll die „Freie Syrische Armee“ auch Panzerfäuste und Mörsergranaten bekommen. Tragbare Boden-Luft-Raketen gegen Kampfjets sind vorerst nicht geplant. Und so könnten die neuen Waffen die militärische Lage der Rebellen zwar stabilisieren, ohne sie jedoch entscheidend zu bessern. „Die Waffen werden unsere Moral heben“, erklärte Idriss.
Assads Panzer können künftig nicht mehr ungehindert in den Städten operieren. Die verheerenden Luftangriffe auf Rebellenorte hingegen bleiben auch weiterhin ohne Gegenwehr. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ wollen die US-Militärplaner aber im Süden Syriens eine 40 Kilometer breite Flugverbotszone errichten, die mit F-16-Kampfjets erzwungen werden soll. Die Flugzeuge sollen über jordanischem Territorium bleiben, nicht in den syrischen Luftraum eindringen und die syrischen Flugabwehrbatterien mit Raketen größerer Reichweite ausschalten.
Ähnlich operierten vor zwei Monaten auch israelische Kampfjets, als sie vom Libanon aus ein Raketendepot nahe Damaskus in Schutt und Asche legten. Darüber hinaus will die US-Armee vor der Küste Syriens Amphibienfahrzeuge für eine schnelle Eingreiftruppe stationieren.
Laut Bilanz der UNO hat der Aufstand gegen das Regime seit März 2011 mindestens 93.000 Menschen das Leben gekostet. Die tatsächliche Zahl der Opfer liegt jedoch wohl wesentlich höher, weil inzwischen zehntausende Menschen spurlos verschwunden sind.