Eine schrecklich süchtig machende Familienserie

File of U.S actor Bateman posing during a photocall for his film 'The Change-Up' during the 37th American Film Festival in  Deauville
File of U.S actor Bateman posing during a photocall for his film 'The Change-Up' during the 37th American Film Festival in DeauvilleREUTERS
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Vor zehn Jahren startete die bahnbrechende Sitcom "Arrested Development": Damals war sie der Zeit voraus – und wurde abgesetzt. Längst gilt sie als eine der besten Fernsehserien.

„They've made a huge mistake.“ Das ist einer von Dutzenden Sätzen, der in unzähligen Variationen (nicht nur) im Internet grassiert und den Fans der Serie „Arrested Development“ leicht von der Zunge geht: Es ist einer der zahllosen kunstvoll variierten Running Gags dieser bahnbrechenden Sitcom – und bietet sich als ironischer Kommentar zu ihrem Schicksal an. Denn aus heutiger Sicht hat der Sender Fox zweifellos einen Riesenfehler gemacht, als er sie nach drei Staffeln kurzerhand absetzte.

Aber als „Arrested Development“ 2003 auf ein unvorbereitetes Publikum losgelassen wurde, waren das Tempo und der explosiv postmoderne Zugang zum Gestalten von Gag-Kaskaden wie ein Schock für das Publikum. Die Kritik überschlug sich vor Begeisterung, es gab Emmys, aber ein schlechter Sendeplatz und schlechtes Marketing führten zu schlechten Quoten. Die zweite und dritte Season wurden während der Produktion gekürzt, was – typisch für den hintersinnigen Humor der Serie – prompt auf satirische Weise in die Handlung eingearbeitet wurde.

Trotzdem bilanzierte Schöpfer Mitchell Hurwitz, das Fernsehen sei für „Arrested Development“ noch nicht bereit gewesen. Zurecht: Kaum eine Serie hat nach ihrer Absetzung ein so intensives Nachleben gehabt, dank DVDs und Online-Angeboten. Auch weil „Arrested Development“ zum vielfachen Sehen einlädt. Wenig in der TV-Geschichte hat solche Humordichte (und entsprechenden Suchtfaktor) erreicht: Gleichzeitig diverse Witze in Bild und Dialog, rasant vermischt mit verblüffenden Rückblenden und stets im Standbild studierenswerten Einblendungen von Zeitungsartikeln usw. Wobei die Stimme des Erzählers (gesprochen von Koproduzent Ron Howard) gern noch eine Pointe draufsetzte. Viele komische Ideen waren so subtil verbunden, dass sie erst beim zweiten oder dritten Ansehen auffielen.


Geniale Missverständnisse. Mitchell Hurwitz, ein vom Sitcom-Alltag bei Serien wie „Golden Girls“ schon etwas gelangweilter Veteran, hatte sich bei „Arrested Development“ endlich austoben dürfen: So entwickelte er die absurde Saga der Bluth-Familie, deren Imperium mit einem kleinen Bananenstand begonnen hatte, deren korrupte Geschäfte aber schließlich sogar den Irakkrieg beeinflussten. Das geniale Grundprinzip der Serie war das Missverständnis: kaum ein Gespräch, in dem die Figuren nicht erheiternd aneinander vorbeiredeten oder sich unbewusst in Doppeldeutigkeiten ergingen.

Das war nicht nur herausragend geschrieben, sondern auch gespielt: Vom da (noch blutjungen) Michael Cera bis zu Will Arnett wurden die Darsteller zu Comedy-Stars, während Nebenrollen mit Liza Minelli oder Charlize Theron besetzt waren. Heraus kam ein so perfekter wie perfid schlauer Stil, der rückblickend die letzte Fernsehdekade geprägt hat: Eine Satire wie „30 Rock“ ist ohne den Vorläufer undenkbar – so wie eine Liste der besten TV-Serien ohne „Arrested Development“.

Diese Sitcom wirkte eigentlich, als würde man sich im Irrsinnstempo von einem lustigen Internetlink zum nächsten klicken: schon deshalb ein idealer Kandidat für eine Online-Wiederbelebung. Die 15 neuen Folgen für die Internetplattform Netflix wollte Hurwitz erst entsprechend gestalten, sodass sie in beliebiger Reihenfolge angesehen werden können. Das scheiterte an praktischen Gründen: Durch den Erfolg der Schauspieler waren ihre Zeitpläne nicht koordinierbar.

Nun erzählt die neue Staffel eine viel überschaubarere Handlung als die wild herumspringenden alten Folgen. Die Erzählung wird dafür aus der Perspektive der verschiedenen Hauptfiguren immer wieder neu aufgerollt, mit überraschenden wie komischen Effekten: eine andere Art, zum wiederholten Sehen zu animieren und vielleicht wieder ein visionärer Ansatz für neue Erzählstrategien in der Internet-Ära.

Da dafür die Geschwindigkeit gedrosselt wurde, gab es erst einige enttäuschte Kritiken, doch die Fans sind zufrieden. Eine weitere Staffel oder ein Kinofilm mit den Bluths ist im Gespräch. Wie man aus einem anderen Running Gag der Serie weiß: „There's always money in the banana stand.“

Streams in Österreich

Legale Angebote. Die Liste ist online beim Antipiraterie-Verein: www.dach-contentprotection.org/legaleangebote.html

Mediatheken. Die Stream-Angebote der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender sind natürlich dabei.

Plattformen. Es gibt auch Aboservices von UPC bis Sky, Film-Streams von Verleihern wie Warner und Filmladen sowie Online-Portale, ob spezialisiert wie Docufilms oder breit gestreut wie Flimmit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2013)

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