Gastbeitrag

Von Titelkauf und Doktoratsbetrug in Österreich

Privat
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Um den Ruf der österreichischen Wissenschaft zu retten, wäre die Einrichtung einer „Soko Saubere Wissenschaft“ sinnvoll.

Wenn ich daran denke, wie ich mich vor nunmehr 45 Jahren geplagt habe, um mittels Dissertation ein Doktorat zu erwerben – allein schon arbeitstechnisch: ohne Internet, ohne Textverarbeitung, mit Hammerschreibmaschinen, Tipp-Ex, Korrekturlack usw. –, dann packt mich ein heiliger Zorn, wenn ich sehe, wie betuchte Damen und Herren sich heute unter viel besseren Bedingungen akademische Abschlüsse erkaufen und erschwindeln.

Mein zweiter Zorn gilt den verharmlosenden Folgen oder besser „Nicht-Folgen“, die so etwas seitens mancher Hochschulen und des Ministeriums zeitigt. Nehmen wir nur den Fall der Ex-Ministerin Christine Aschbacher: Ihre plagiierte Masterarbeit an der FH Wiener Neustadt mit noch dazu völlig unsinnigen Textpassagen hatte eigentlich keine Konsequenzen, weil ihr „keine Täuschungsabsicht“ nachgewiesen werden konnte. So kann sie ihren FH-Master und den daraus folgenden Doktortitel von einer slowakischen Universität bis heute führen. Keine Täuschungsabsicht? Hat die Frau Ex-Ministerin etwa „unabsichtlich“ plagiiert und Unsinn verfasst?

Der Autor:

Dr. phil., Dr. h. c. Josef Christian Aigner (* 1953) hat in Salzburg (bei Igor A. Caruso) promoviert und ist Psychoanalytiker, Psychotherapeut und Bildungswissenschaftler. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Falscher Doktor im Reisepass

Legendär – schon nach wenigen Wochen – ist auch der Fall des Direktors der Zillertalbahn, Helmut Schreiner, in Tirol: Er führte jahrelang zu Unrecht einen Doktortitel (sogar in seinem Reisepass), zeigte dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz vor Journalisten stolz eine eigentlich gar nicht existente Dissertation über die umstrittene Wasserstoffbahn ins Zillertal und ließ dann nach Scheitern seines Dissertationsprojekts an der Uni Innsbruck eine Arbeit von der Universität Aachen von A bis Z ins Englische übersetzen, um sie über eine Nebenstelle der Uni Salzburg – „Business School der Paris Lodron Uni Salzburg“ – bei der Uni Riga (um 22.000 Euro) einzureichen. Dabei log er noch wie gedruckt, was den Stand seines Promotionsverfahrens betraf.

Zumindest bis zur Aufdeckung des Schwindels mit dem falschen Doktortitel im Reisepass (also Dokumentenfälschung) verteidigte der Zillertaler Nationalrat, Seilbahn-Kaiser und Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl ihn auch noch: es habe „keinen Unterschied gemacht, ob unser technischer Vorstand nun Diplomingenieur oder Dr. ist“. Seine Verfehlung habe also nichts mit seiner Leistung als Führungsfigur zu tun – dieses Highlight politischer Moral muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: In den Augen eines hohen ÖVP-Funktionärs mindert eine derart offensichtliche Betrügerei die Akzeptanz eines führenden Mitarbeiters nicht!  

Der Fall Schreiner ist aber kein Einzelfall, sondern hat offenbar System: Auch aus dem Führungspersonal des Pharmakonzerns Novartis im Tiroler Kundl wurden mehrere des Plagiats überführt. Erstaunlicherweise gab es dazu bisher keinerlei Bericht in den Tiroler Medien (auf Nachfrage sagte ein recherchierender Journalist schon vor Wochen, er warte auf die Stellungnahme der Betroffenen – ob die das einfach aussitzen?). In diesem Zusammenhang geriet auch ein zweifelhafter Professor, der sowohl an dieser Salzburger Uni-Außenstelle als auch an der Uni Riga als Gastprofessor und an der FH Kufstein als Vizerektor tätig war, dessen wissenschaftliche Arbeiten aber nirgends aufzufinden sind, ins Visier. Ob er möglicherweise eine Drehscheibe für diese Machinationen darstellt? Die FH Kufstein hat diesen Herrn jedenfalls umgehend von ihrer Homepage genommen. Das hört sich doch eher wie eine Kriminalgeschichte denn eine akademische Diskussion an.

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Dagegen ist der Fall der Tiroler ORF-Landesdirektorin Esther Mitterstieler, die seit Jahren einen Doktortitel führt, den sie nach ihrem italienischen Uni-Abschluss nicht führen dürfte, geradezu als „harmlos“ anzusehen. Aber auch er zeigt den schlampigen Umgang mit akademischen Titeln zum Zweck persönlicher Eitelkeit oder für Bewerbungen.

Einer, auf den viele dieser Aufdeckungen zurückgehen, ist der als „Plagiatsjäger“ bekannte Kommunikationswissenschaftler Doz. Dr. Stefan Weber, dem das Verdienst zukommt, diese politisch untragbaren Zustände aufzuzeigen. Es kann aber auf Dauer nicht angehen, dass ein Privatier diese Arbeit großteils ehrenamtlich erledigt und sich damit privat den Hass von zig Leuten zuzieht.

Auch die Unis prüfen

Diese krassen Schwindeleien bis hin zum Betrug verweisen auf mindestens zwei Probleme: Zum einen ziehen sie das Ansehen österreichischer akademischer Abschlüsse so richtig in den Dreck. Und das in einer Zeit blühender Wissenschaftsfeindlichkeit, die nach Corona immer noch anhält und einen demokratiegefährdenden Umfang annimmt. Zum anderen kann es nicht angehen, dass unser Wissenschaftssystem und unsere Universitäten derart halbherzig mit solchen Betrugsversuchen umgehen und selbst schwere Verfehlungen (wie etwa Frau Aschbachers Masterarbeit) kaum Folgen nach sich ziehen. Es sollte dagegen wegen der Befangenheit von selbst durch Plagiatsfälle betroffenen Universitäten eine Art „Soko Saubere Wissenschaft“ begründet werden, die österreichweit alle zweifelhaften Arbeiten, Geschäftsverbindungen und auch problematische Nebenstellen von Universitäten prüft.

Österreich ist ein traditionell titelversessenes Land. Umso mehr müssen der Staat und die Universitäten den Kampf gegen jegliche Form akademischer Schwindelei zu einer ihrer vordringlichen Aufgaben machen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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