Jazz

Die charmante Stimme von Blossom Dearie

Blossom Dearie am Cover.
Blossom Dearie am Cover.(Fontana)
  • Drucken

Die Amerikanerin, die den englischen Regen pries, kam 1965 nach London und blühte dort auf. Die CD-Box „Discover Who I Am“ dokumentiert das vorbildlich.

Es war fast eine Amour fou, die die US-amerikanische Sängerin und Pianistin Blossom Dearie in den Sechzigerjahren mit der Nebelmetropole London pflegte: Dorthin ging sie 1965, eingeladen von ihrer britischen Kollegin Annie Ross. Ihr ausgezeichnetes Klavierspiel, ihr Kompositionstalent und vor allem ihre besonders helle, mädchenhafte Stimme kamen in Großbritannien sehr gut an. Der große Publikumszuspruch behagte ihr so, dass sie sämtliche Nachteile des feuchtkalten Wetters zu Vorteilen erklärte – und ihrer Lieblingsstadt eine Hymne zueignete: „I Like London In The Rain.“ Sie wurde erst kürzlich wieder auf Vinylsingle veröffentlicht. Einfach weil sie für jede neue Generation von London-Afficionados Pflicht ist.

Niemand sonst schwärmte so schön von den nebligen Stunden, den Liebespaaren unter den Schirmen und dem glänzenden Asphalt, der die Stadt widerspiegelt. „Streets like mirrors in the rain turn the city upside down, liquid pictures of the town.” Hatte die 2009 im Alter von 84 Jahren verstorbene Sängerin dieses Klima im Blut? Immerhin stammte ihr Vater von Schotten ab und die Mutter kam aus Norwegen.

„Sie sang Lieder, wie sie damals niemand sang“, schwärmte der Hammondorgelvirtuose und R&B-Star Georgie Fame. Umgekehrt war auch Blossom Dearie von ihm angetan. So sehr, dass sie ihm einen Jazzwalzer namens „Sweet Georgie Fame“ komponierte und auch in seiner Gegenwart im Ronnie Scott‘s Club live darbrachte. Was Fame so berührte, dass er drei Jahre lang an einem Antwortlied bastelte, das er schließlich 1969 aufnahm. Schlichter Titel: „Blossom“.

Auch der britischen Soulsängerin Dusty Springfield widmete Dearie ein Stück. „Dusty Springfield, that‘s a pretty name, it even sounds like a game“, schwelgte sie zu einem reichen Geigenarrangement. Die eben erschienene 6-CD-Box enthält gleich mehrere Versionen davon. Neben Neuauflagen bekannter, aber nicht mehr erhältlicher Alben vom Label Fontana enthält sie ein opulentes Begleitbuch und zwei Scheiben voll mit unveröffentlichten Aufnahmen, die allesamt von höchster Güte sind und das weite Spektrum dieser Musikerin demonstrieren. Bossa Nova, Sixties-Pop, Chansons, Folk, Jazz und Novelty Tunes, alles purzelt hier auf heiter-anarchische Weise durcheinander. Besonders innige Reverenz erwies sie ihrem – ebenfalls ins Swinging London gezogenen – Landsmann Burt Bacharach mit seidigen Interpretationen von „Windows Of The World“ und „What The World Needs Now“.

Auch wenn sie später wieder in die USA zurückgehen sollte, die Jahre in London prägten sie. Hier entwickelte sie sich von der Clubsängerin zur Entertainerin der großen Konzertsäle, hier wuchs sie von der Interpretin zur Komponistin gewitzter, hochmelodischer Songs. Auch wenn es mittlerweile „I Like London In The Rain“ in Remix und Re-Edit-Versionen samt neumodisch stolpernden Beats gibt, die charmante Stimme Blossom Dearies bleibt dieselbe. Niemand flirtete so innig mit den hellen Tönen wie sie. Das gab ihrer Form von Melancholie eine delikate, heitere Note.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.