Integration

Musikunterricht für alle

Im paarweisen Musikunterricht entstehen Freundschaften und die Teilnehmer lernen auch über die Kultur des Gegenüber.
Im paarweisen Musikunterricht entstehen Freundschaften und die Teilnehmer lernen auch über die Kultur des Gegenüber. Alexander Gotter
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Die Musikschule DoReMi in Wien vertritt ein solidarisches Bildungskonzept und lehrt Österreicher gemeinsam mit Einwanderern und sozial schwächer mit finanziell besser Gestellten.

Am Anfang stand das Klavier – besser gesagt, gleich mehrere. Sie wurden unter dem Motto „Open Pianos for Refugees“ im öffentlichen Raum in österreichischen und deutschen Städten aufgestellt, um Leute - dezidiert auch Flüchtlinge - zu motivieren, darauf zu spielen. Jeder, der vorbeikam, durfte seine Fertigkeiten ausprobieren, egal, ob er oder sie schon etwas konnte oder den ersten Versuch auf dem Tasteninstrument wagte. Die Idee war auch, so die gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu unterstützen. Das war vor gut sieben Jahren. Dass dabei stets ein Spendenkoffer aufgestellt wurde und einiges zusammenkam, ließ die Initiatoren überlegen, was sie Sinnvolles mit dem Geld anfangen könnten: „Die Idee lag nahe, eine Klavierschule zu gründen“, sagt Omar Altayi, der auch für das Gründungsteam rund um Udo Felizeter, Barbara Plank und Nico Schwendinger spricht. Seit 2018 gibt es also in Wien 9 die Musikschule DoReMi, an der mittlerweile auch Gesang, Gitarre, orientalische Instrumente und mehr angeboten werden.

Prinzip „Pay as you can“

Und da man wieder etwas Gemeinnütziges machen wollte, herrscht dort das Prinzip „Pay as you can“, also zahl, soviel du kannst. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler über die Kosten des Musikunterrichts informiert, wer finanziell schwächer gestellt ist, kann aber auch weniger bezahlen - und Menschen, die es sich leisten können, mögen gerne mehr geben. Auch Förderungen und eben Mittel aus dem Open-Piano-Projekt werden herangezogen. Und wer möchte, kann eine Patenschaft für ein Kind, das ein Instrument lernt, übernehmen.

Die „Open Pianos for Refugees“ brachten nicht nur reges Interesse, sondern auch Spendengelder für DoReMi.
Die „Open Pianos for Refugees“ brachten nicht nur reges Interesse, sondern auch Spendengelder für DoReMi. DoReMi

Der soziale Aspekt von DoReMi geht aber noch weiter. Denn es werden meist eine Österreicherin oder ein Österreicher gemeinsam mit einer geflüchteten Person im Paarunterricht gelehrt – darunter sozial Benachteiligte verschiedenster Art. „Wir verstehen uns auch als Integrationsprojekt“, sagt Altayi. „Neben der Musik geht es uns zusätzlich um Kulturaustausch und Spracherwerb. Dies geschieht implizit in den Instrumentalunterricht integriert.“ Abseits von der Sprache ist den Initiatoren ein Anliegen, dass die Schüler „Normen mitbekommen, wie man im Land des anderen kommuniziert und das gesellschaftliche Leben pflegt“, sagt Altayi. „Dabei wollen wir nicht nur ermöglichen, dass Geflüchtete lernen, wie man hier lebt, sondern auch, dass die Österreicherinnen und Österreicher, die hier Unterricht bekommen, über das Herkunftsland ihres Mitschülers oder ihrer Mitschülerin Bescheid bekommen.“

Reger Zulauf und Warteliste

Vor allem über die „Open Pianos“, wo neben Profis, die an Musikuniversitäten studieren, eben auch Menschen, die noch nie gespielt hatten, an den Klavieren Platz nahmen, kamen zahlreiche Schülerinnen und Schüler auf die Musikschule: „Immer wieder fragten dort Leute, die lange zuhörten oder es erstmals probierten, wo man denn das Klavierspiel auch lernen könnte“, erzählt Altayi. Und auch durch die direkte Zusammenarbeit mit Flüchtlingsorganisationen kommen geflüchtete Menschen auf DoReMi. „Nun haben wir mehr als 180 Schüler und mehr als 100 auf der Warteliste.“ Durch die Förderungen der Stadt Wien versuche man, in Zukunft noch mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, von dem solidarischen Bildungskonzept zu profitieren. „Gerade viele der geflüchteten Menschen freuen sich über die Möglichkeit – nicht nur, weil der Musikunterricht so für sie leistbar wird, sondern auch, weil sie von verschiedenen Traumata abgelenkt werden können. Einige haben mir schon gesagt, dass sie in dieser Stunde, die sie sie hier sind, ihre Ängste für eine gewisse Zeit vergessen können und sich ganz auf die Musik konzentrieren.“

Neue Freundschaften entstanden

Gleichzeitig helfe man nicht nur Geflüchteten, sondern ganz dezidiert auch finanziell schwächer gestellten Österreicherinnen und Österreichern. Für das Konzept des paarweisen Unterrichts werden die Anmeldungen genau sondiert, erzählt Altayi: „Ich sehe mir Alter, Sprachlevel und Herkunftsland an – und wir wollen vermeiden, dass Leute, die sich kennen, gemeinsam unterrichtet werden. Denn erfahrungsgemäß entstehen während des Unterrichts gerade besonders schöne, neue Freundschaften.“ Viele schätzen außerdem das Konzept des gemeinsamen Unterrichts mit einer zweiten Person: „Einige sind allein nicht so motiviert und haben gemeinsam noch mehr Spaß am Musizieren“, so Altayi. Und auch Österreicherinnen und Österreicher finden hier erste Begegnungspunkte mit Personen, die aus anderen Ländern stammen: „Viele sagen, sie kämen sonst ja nicht in Berührung mit Geflüchteten und freuen sich nun über den Kulturaustausch. Es ist schön, wenn da ein Switch in den Gedanken passiert und jemand davon überzeugt wird, dass es keinen großen Unterschied macht, woher man kommt.“

Musikschule DoReMi

Adresse: Nussdorfer Straße 65/11, 1090 Wien, Anmeldung für das nächste Semester bis 15. August.

musikschule-doremi.com

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