Wissenschaft

Wie der Mond den Rhythmus des Meereslebens steuert

Sein Rhythmus  –das Auftauchen oder auch das Verschwinden  – steuert den vieler Meeresbewohner.
Sein Rhythmus  –das Auftauchen oder auch das Verschwinden  – steuert den vieler Meeresbewohner. Science Photo Library
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Am Land schlägt die Sonne dem Leben den Takt, in den Ozeanen tut es der Mond. An ihm orientieren sich Wanderungen und Reproduktion.

Als Kolumbus 1492 in der ersten Nacht nach einem Vollmond bei den Bahamas war, sahen er und seine Mannschaft Lichter im Wasser, „die wie die Flamme einer kleinen Kerze abwechselnd größer wurden und in sich zusammen sinken“(Nature 136, S. 559). Und als der Meeresbiologe Oren Levy (Bar Llan University, Israel) 500 Jahre später in einer Nacht im November am Great Barrier Reef tauchte, wurde er Zeuge der „größten Orgie auf diesem Planeten“ (Hakai Magazine 13. 7. 2017). Die wiederholt sich alljährlich, ein paar Tage nach Vollmond, ein paar Minuten nach Sonnenuntergang, dann entlassen 105 Korallenarten in einem farbenprächtigen Spektakel synchron ihre Millionen Keimzellen ins Wasser – Sperma oder Eier oder beide, viele Korallen sind Hermaphroditen –, dort finden sie zusammen (Marine Biology 90, S. 379).

Der Zweck der Koordination ist klar – die riesige Zahl soll wenigstens einen Teil des Nachwuchses vor hungrigen Mäulern bewahren –, aber was schlägt den Takt? Und was schlägt ihn dem Meeresleuchten bei den Bahamas, das sich jeden Monat wiederholt, weil dann Leuchtwürmer – Odontosyllis – aus der Tiefe steigen, um sich zu paaren, und einander mit Biolumineszenz anlocken (PLoS One 0200944)? Vieles spielt mit, die Wassertemperaturen und die Tidenstände, zentral aber ist das Licht, das des Mondes.

Größte aller Wanderungen folgt dem Mond

Dass das der Sonne die Chronobiologie aller Tiere auf der Erdoberfläche, uns einschlossen, regiert, weiß man seit etwa hundert Jahren: Wir alle haben innere Uhren, von denen eine ungefähr auf die Tageslänge ausgerichtet ist – die „circadian clock“ – und jeden Tag an der Sonne justiert wird. Deren Licht reicht auch in die scheinbar finsteren Tiefen der Meere, wo es jeden Tag bzw. jede Nacht die größte aller Wanderungen initiiert – die alle anderen in den Schatten stellt, selbst die der Tierherden etwa in der Serengeti –, die des Zooplanktons: Dessen Mitglieder steigen in der „dial vertical migration“ am Abend aus hunderten Metern Tiefe hinauf an die nahrungsreiche Oberfläche, und am Morgen, bevor Räuber kommen bzw. sie sehen könnten, wieder hinab.

So hält es auch Zooplankton in arktischen (und antarktischen) Gewässern. In denen lässt sich allerdings die Sonne das halbe Jahr nicht blicken, dann springt der Mond ein (und wenn der auch nicht zu sehen ist, können es Nordlichter tun). Für sein schwaches Strahlen erhöht der Plankton kurz vor der gewohnten Wanderzeit die Lichtempfindlichkeit der Augen (PLoS Biology 3001413), für das programmiert er seine circadian clock vom 24-Stunden-Rhythmus der Sonne auf den etwas längeren Mondes, um, 24,8 Stunden (Current Biology 26, S.244)

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