Ludwig XV.

Johnny Depps schaumgebremstes Comeback

Einträchtig? Am Set angeblich nicht: Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn und Johnny Depp.
Einträchtig? Am Set angeblich nicht: Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn und Johnny Depp.Wild Bunch
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In Cannes war das Filmdrama „Jeanne du Barry“ über Ludwig XV. und seine Mätresse ein Aufreger wegen Johnny Depp. Dabei dürfte es selbst Fans des US-Stars kaltlassen.

Der König ist müde. Trägen und trüben Blickes fläzt er sich auf dem royalen Fauteuil, versunken in Gedanken an die Eitelkeit des Seins. Die Staatsgeschäfte interessieren ihn nicht, lieber hört er dem Kaminfeuer beim Knistern zu, besinnt sich wehmütig besserer, längst vergangener Zeiten. Er ist alt geworden – c’est la vie! Was nützt ihm seine Majestät im Angesicht von Leere und Vergänglichkeit? Die Schwerkraft hat sich der erlauchten Mundwinkel bemächtigt, und er hat keine Lust mehr, ihr Widerstand zu leisten. Doch eines kann dem König keiner nehmen: Der König ist Johnny Depp.

Bzw. wird er von selbigem verkörpert, in „Jeanne du Barry“, dem jüngsten Film der französischen Regisseurin, Drehbuchautorin und Schauspielerin Maïwenn (die ihren Geburtsnamen Le Besco aufgrund einer angespannten Beziehung zu ihren Eltern abgelegt hat). Der Titel verspricht ein Biopic über die berühmte Komtess und Mätresse von Ludwig XV., und der Film liefert es auch; dennoch ist sein Zugpferd der 60-jährige US-Schauspieler, der in den vergangenen Jahren vor allem eine Rolle innehatte: die des Angeklagten (und Klägers) im Gerichtskrieg gegen seine ehemalige Frau Amber Heard. Es ging um Vorwürfe der häuslichen Gewalt und um Verleumdung. Die Fetzen flogen multimedial, gewonnen hat den Prozess in erster Linie der Boulevard, der bis heute von der Causa zehrt: So ködert auch Netflix wirksam Klicks mit einer „Doku“ über den Fall „Depp v. Heard“.

Statement gegen „Cancel Culture“?

Aufgrund der Vorhaltungen gegen ihn war Depp bei Hollywoods Entscheidungsträgern schon davor unten durch, seine Besetzung als Bösewicht in der „Harry Potter“-Reihe „Fantastic Beasts“ wurde bereits 2020 aufgehoben. Seither hat der einstige Teenieschwarm, „Bad Boy“, Arthouse-Liebling und Blockbuster-Star keinen wirklich nennenswerten Leinwandauftritt mehr hingelegt.

Aber die Aura einer Kinolegende lässt sich nicht so einfach wegretuschieren. Sie hält sich hartnäckig, in Fanherzen und im Imaginären der Cinephilie. Nicht zuletzt in Frankreich, wo Depp, der lang mit Vanessa Paradis zusammen war, ein Anwesen als Rückzugsort unterhielt. Insofern wirkte die Entscheidung der Filmfestspiele von Cannes, ihre diesjährige Ausgabe im Mai mit „Jeanne du Barry“ zu eröffnen, wie ein bewusstes Statement: für die Trennung von Leben und Werk und gegen „Cancel Culture“ US-amerikanischer Prägung. Das Festival wies das freilich von sich. Und freute sich über den angestoßenen Medienrummel. War die Debatte um Depps „Comeback“ wirklich nur auf den Film aufgepfropft? In der medial aufgeheizten Blase von Cannes fällt es schließlich schwer, nüchterne Distanz zu den Kinobildern zu wahren.

Doch auch beim Wiedersehen abseits der Côte d’Azur ähnelt „Jeanne du Barry“ eher einer Zeitgeist-Parabel und Meta-Erzählung als einer klassischen Filmbiografie. Auch weil Depp nicht der Einzige ist, bei dem Persönliches mitschwingt. Regisseurin Maïwenn, die in ihrem Film auch die Titelrolle gibt, hat sich im #MeToo-Diskurs Frankreichs wiederholt zu Wort gemeldet, und zwar im Sinne der Angeklagten. Einem Journalisten, dessen Onlinezeitung Anschuldigungen gegen den Regisseur Luc Besson – mit dem Maïwenn eine Zeit lang verheiratet war – vorbrachte, spuckte sie in einem Restaurant gar ins Gesicht.

Schwer, all das komplett auszublenden, wenn man ihren neuen Film sieht, zumal dessen künstlerische Meriten eher bescheiden sind. Jeanne wird hier von Anfang an als tragische Heldin aufgebaut, deren Verbrechen es ist, das Leben zu sehr zu lieben. Aus ärmlichen Verhältnissen schwingt sie sich dank Intelligenz, Esprit und der Gunst diverser (männlicher) Förderer zur begehrten Top-Kurtisane empor.

Depp spricht als König Französisch

In Depps melancholischem König findet sie ihren Lebensmenschen: einen Monarchen, der keiner sein will, der sich im Goldkäfig zu Tode langweilt. Jeanne sieht ihn als Mann, nicht als Regenten, das baut ihn auf. Das Verhängnis der Liebenden ist die (höfische) Gesellschaft, deren Sittenversessenheit. Die Töchter des Königs, Neider der Freiheit, gönnen den beiden kein Glück. Erzählt ist das wie im Märchen, einschließlich auktorialer Off-Stimme. Maïwenn und Depp (der im Original Französisch spricht) spielen schaumgebremst, die Stimmung am Set soll mäßig gewesen sein. Ab und zu blitzt der verschmitzte mimische Witz auf, für den viele Depp lieben. Doch die Momente sind rar. Ansonsten verleiht seine Performance dem Begriff Schlafzimmerblick eine ganz neue Bedeutung.

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