Kündigungswelle

Der Iran macht Jagd auf Professoren

Ayatollah Ali Khamenei. Vor dem Jahrestag des gewaltsamen Todes der jungen Kurdin Mahsa Jina Amini ist das Regime in Alarmbereitschaft.
Ayatollah Ali Khamenei. Vor dem Jahrestag des gewaltsamen Todes der jungen Kurdin Mahsa Jina Amini ist das Regime in Alarmbereitschaft.Imago / Iranian Supreme Leader S Office
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Das Regime lässt die Hochschulen „säubern“, die Studenten demonstrieren weiter. Vor dem Jahrestag der Protestbewegung ist Teheran alarmiert.

Die Kündigung kam für Ameneh Aali per Telefonanruf. Aali bestand darauf, einen schriftlichen, behördlichen Brief zu erhalten. Doch die Anrufer winkten ab – und das war es. Zumindest was den Grund für die Kündigung betrifft, macht sich die Psychologie-Professorin an der Teheraner Universität Allameh Tabatabai keine Illusionen. „Ja, wir haben Petitionen unterschrieben“, sagte sie gegenüber der Nachrichtenseite Dideban, „wir haben die Studenten zu Sit-ins begleitet, wir haben gegen ihre Suspendierung protestiert.“

Sit-ins haben an den iranischen Universitäten zuletzt wieder zugenommen. Die Hochschulen sind seit Beginn der Protestwelle ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt der Demonstrationen – und mit Blick auf den Jahrestag des gewaltsamen Todes von Mahsa Jina Amini Mitte September zeigt sich das Regime in höchster Alarmbereitschaft. So organisieren Studierende an der Universität Teheran regelmäßig Sit-ins gegen den Erlass von strengeren Kopftuchregeln – Frauen sollen nun die „maghna-e“ tragen, ein Kopftuch, das auch den Brustbereich bedeckt. Die Veranstaltungen werden gewaltsam aufgelöst. Der Dekan der Literatur-Fakultät nannte die protestierenden Studenten gar „nutzlose Entertainer“.

„Islamische Inhalte“ vermitteln

Die Professoren werden ebenfalls unter Druck gesetzt. Internen Dokumenten zufolge hat das Regime im vergangenen Jahr mehr als 300 Akademiker entlassen lassen, weil diese die Protestbewegung unterstützten. Offiziell wird diese Zahl nicht bestätigt, doch häufen sich derzeit weitere Kündigungen. Prominente Beispiele sind neben Aali ihre Fakultätskollegin Hamideh Khademi und der renommierte Bioinformatiker Ali Sharifi-Zarchi von der Sharif-Universität für Technologie. In der Vergangenheit hat Sharifi-Zarchi aus Solidarität mit seinen inhaftierten Studenten gedroht, seine Kurse ruhen zu lassen, bis alle wieder entlassen würden. Parallel zu Sharifi-Zarchis Kündigung traten an der Sharif-Universität bekannte, regimetreue Hardliner auf, um den Studierenden „islamische Inhalte“ zu vermitteln.

Kritik an der jüngsten Kündigungswelle kam ausgerechnet vom ehemaligen Außenminister und Leiter der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi: Ohne gute wissenschaftliche Qualität könnten die Institutionen nicht Universitäten genannt werden, wird Salehi von iranischen Medien zitiert. Das Regime weist indessen jegliche Kritik an den Kündigungen zurück. Sie seien notwendige Maßnahmen im Sinne der Islamischen Revolution. Die vakanten Stellen werden von regimetreuen Personen besetzt.

Mit dem Tod von Amini in Polizeigewahrsam setzte eine landesweite und breit getragene Protestbewegung ein, die zwar niedergeschlagen wurde, aber nie ganz abgeflaut ist. Hunderte Studenten wurden seither festgenommen, gefoltert und verurteilt. (duö)

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