Wie Julian Assange seine Partei gegen sich aufbrachte

Sunshine Press Productions photo of WikiLeaks publisher and editor-in-chief Julian Assange in London
Sunshine Press Productions photo of WikiLeaks publisher and editor-in-chief Julian Assange in LondonReuters
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Der Chefenthüller bewirbt sich um einen Sitz im Senat. Aussichtslos, weil er ja in London festsitzt.

Wien/Canberra/Hd. Wenn der Parteichef sich zu lange auf einem anderen Kontinent aufhält, kann das zu Reibereien und Chaos führen. Zumal wenn er eine starke Führungspersönlichkeit ist, die Widerspruch nicht wirklich schätzt. Nein, die Rede ist nicht von Frank Stronach, sondern von Julian Assange.

Der Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks hat sich Ende 2012 entschlossen, in die Politik einzusteigen und dies standesgemäß via Twitter verkündet. Im heurigen Juli wurde seine Partei, die sich der Einfachheit halber WikiLeaks Party nennt, für die australische Parlamentswahl registriert. Sie bewirbt sich jedoch nur für sechs Senatssitze. Einen strebt Assange an, im Bundesstaat Victoria.

Es gibt da nur ein kleines Problem: Assange sitzt seit 19. Juni 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London fest, wo er Asyl erhalten hat. Dorthin hat er sich geflüchtet, um sich der Auslieferung nach Schweden zu entziehen, wo er wegen Sexualdelikten befragt werden soll. Assange, der Washington durch die Veröffentlichung von hunderttausenden geheimen Dokumenten verärgert hat, fürchtet eine Überstellung in die USA.

Anfangs hatte es für die junge Partei gut ausgesehen, doch dann kam das, was Assange später „Probleme beim Zahnen einer Partei“ nannte: Leslie Cannold, Nummer zwei auf der Liste, verließ die Partei ebenso wie vier weitere Führungskräfte. Sie waren erbost, dass offenbar über den Beschluss der Parteigremien hinweg „Präferenzen“ für zwei extrem rechte Parteien bei der Wahlbehörde angemeldet wurden. Dies hat nicht nur die Grünen vergrätzt, die ihrerseits die WikiLeaks-Partei mit Präferenzen unterstützten, sondern auch viele Anhänger aus dem linksliberalen Spektrum.

„Musste Snowden retten“

Assange übernahm die Verantwortung für das Debakel und rechtfertige sich mit den Worten, er habe schließlich seine Zeit dazu gebraucht, das Leben eines jungen Mannes zu retten (gemeint ist Edward Snowden). Sollte die WikiLeaks-Partei nun nicht in den Senat einziehen, entgeht den anderen Senatoren das angekündigte Einstandsgeschenk: USB-Sticks, mit denen sie Informationen über Missstände hätten melden können. An WikiLeaks natürlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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