Van Gogh über abgeschnittenes Ohr: "Wird nützlich sein"

Gogh ueber abgeschnittenes Nuetzlich
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Wieso schnitt sich Vincent van Gogh sein Ohr ab? Ein bisher unbekannter Artikel von 1888 über den Vorfall könnte Licht in dieses Rätsel bringen.

23. Dezember 1888, Arles, Südfrankreich: Der Künstler Vincent van Gogh, arm und unbekannt, schneidet sich im Streit mit Malerkollege Paul Gauguin einen Teil seines linken Ohres ab. Der Vorfall ist heute so berühmt wie mysteriös. Was trieb Van Gogh zu seiner Tat? Oder war es gar Gauguin, der dem damals 35-Jährigen das Ohr im Duell absäbelte? Ein nun aufgetauchter Zeitungsartikel könnte ein wenig mehr Licht in dieses Rätsel bringen, berichtet Martin Bailey in "The Art Newspaper". Er sei bei Recherchen zu einem Buch über Van Goghs Sonnenblumen auf einen bisher unbekannten Zeitungsartikel über den Vorfall gestoßen.

Bisher war nur ein Artikel über die (Selbst-)Verstümmelung bekannt: Die in Arles beheimatete Wochenzeitung "Le Forum Républican" hatte darüber berichtete. Bailey stieß auf einen Artikel in der Pariser Tageszeitung "Le Petit Journal" vom 26. Dezember 1888: Diesem Bericht zufolge habe "jemand namens Vincent, ein Malkünstler aus Holland", ein mit einer Rasierklinge abgeschnittenes Stück seines Ohres, "eingeschlagen in ein Stück Papier", dem Türsteher eines "Hauses mit schlechtem Ruf", also einem Bordell, überreicht.

"Nimm das, es wird nützlich sein"

Auch ein Kommentar des Malers wurde in "Le Petit Journal" überliefert: "Nimm das, es wird nützlich sein", soll Van Gogh gesagt haben. Danach sei er wieder gegangen. Die Worte des Künstlers legen einen akuten psychisch gestörten Zustand zum Zeitpunkt der Tat nahe, was Theorien über einen Unfall im Streit widerspricht.

Nach der Tat wurde der Maler in das Krankenhaus in Arles gebracht, wo er wegen des Blutverlustes zwei Wochen lang behandelt wurde.

Interessant ist auch der Umstand, dass der Artikel in einer Pariser Zeitung erschien, mehr als 600 Kilometer von Arles entfernt. Für Van Goghs Bruder Theo, der in Paris eine Galerie betrieb, dürfte es unangenehm gewesen sein, dass selbst in der Hauptstadt über den Vorfall berichtet wurde.

Allein im Gelben Haus

Die Verstümmelung des Ohres war der Anfang vom Ende des Malers: Gauguin reiste am Tag nach dem Vorfall ab, Van Gogh blieb alleine im Gelben Haus in Arles zurück. 1889 ließ er sich freiwillig in eine Heilanstalt in Saint-Remy-de-Provence einweisen. Auch in der Anstalt arbeitete der Künstler weiter - da er jedoch immer wieder Anfälle erlitt, bei denen er Farben verschluckte, um sich zu vergiften, wurde ihm das Malen zwischenzeitlich untersagt.

Am 27. Juli 1890 schoss er sich in die Brust, zwei Tage später starb er an seinen Verletzungen. Bis heute wird über die Ursachen seiner Krankheit spekuliert. "Die Traurigkeit wird ewig dauern", sollen seine letzten Worte gelautet haben.

>>> Link zum vollständigen Artikel aus "Le Petit Journal" in "The Art Newspaper"

Zwei Maler in Arles

Paul Gauguin und Vincent van Gogh lernten einander Ende 1886 über den Pariser Kunsthändler Theo van Gogh – Vincents Bruder – kennen. Van Gogh überredete seinen Freund 1888, zu ihm ins südfranzösische Arles zu ziehen.
Beide erlebten zwar eine künstlerisch fruchtbare Periode, doch es kam immer öfter zu Spannungen, die am 23. Dezember 1888 zu einem viel diskutierten Eklat führten: dem Drama um van Goghs Ohr.

(her)

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