Konjunktur: Gute Zahlen und Olympia lassen Japan jubeln

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Symbolbild(c) EPA (CHRISTOPHER JUE)
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Japan erhielt den Zuschlag für Olympia 2020 – und konnte am Montag dazu gute Wachstumszahlen präsentieren. Jetzt stellt sich die Frage: Ist es ein nachhaltiger Aufschwung – oder nur kurzfristiges „Doping“?

Wien/Tokio/Ag./Red. Japans Ministerpräsident Shinzo Abe durfte in den vergangenen Tagen gleich zwei Jubelmeldungen verkünden: Zuerst war da die Vergabe der Olympischen Spiele 2020, die in Tokio stattfinden werden. Am Montag präsentierte die Regierung dann neue Zahlen zum wirtschaftlichen Wachstum – und diese fielen gut aus.

Demnach wuchs die japanische Wirtschaft im zweiten Quartal mit einer Jahresrate von 3,8 Prozent und damit schneller als alle anderen großen Industriestaaten. Die erste Schätzung der Regierung lag noch bei 2,6 Prozent.
Die zu Jahresbeginn erreichte Wachstumsrate von 4,1 Prozent konnte aber fast gehalten werden – vor allem, weil die Unternehmen wegen der Exporterfolge erstmals seit Langem wieder mehr investierten.

„Gelddrucken“ gegen Deflation

Shinzo Abe ist angetreten, die seit Jahrzehnten herrschende Deflation zu beenden – und Japan so wieder in Schwung zu bekommen. Die neuesten Zahlen sind zwar vielversprechend, könnten aber trügerisch sein. Denn: Abes Rezept zur Deflationsbekämpfung heißt „Gelddrucken“ – oder eleganter ausgedrückt: die „Verdopplung der Geldmenge“. Um dieses Ziel zu erreichen, schreckte der neue Premier auch nicht vor der Neubesetzung an der Notenbank-Spitze zurück: Er installierte einen Günstling.

Dass die Wachstumszahlen jetzt positiv erscheinen, darf vor diesem Hintergrund keine Überraschung sein. Die Inflationsankündigung hat die Aktienkurse bereits in den vergangenen Monaten kräftig steigen (und wieder fallen) lassen.

Zwar sind die sich positiv entwickelnden Zahlen auch auf steigende Investitionen zurückzuführen. Diese legten um 1,3 Prozent und damit erstmals seit eineinhalb Jahren zu. Die erste Schätzung hatte noch ein Miniminus von 0,1 Prozent ergeben. Der schwache Yen (die Abwertung der japanischen Währung ist das erste Ergebnis von „Abenomics“) macht japanische Produkte im Ausland attraktiver. Nach Berechnungen der Commerzbank sind die Gewinne der börsenotierten Unternehmen im Frühjahr um rund 40 Prozent gestiegen.

Aber selbst die Regierung gibt zu: „Die Wirtschaft hat noch keinen selbsttragenden Aufschwung erreicht.“ Das sagte Etsuro Honda, der Ministerpräsident Shinzo Abe berät. „Wir sind noch nicht aus dem Schneider.“ Denn ob „Abenomics“ funktionieren kann, hängt vor allem von den versprochenen Reformen der Regierung ab.

Die Geldmenge zu verdoppeln und auf die ersten „positiven“ Effekte hinzuweisen ist eine Sache, aber ohne begleitende Reformen ein gefährliches Spiel: Sorgt das frische Stimulusgeld nicht für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, sondern nur für eine kurze „Dopingphase“, könnte Japan nach Abe schlechter dastehen als davor.

Die Alternative sieht freilich auch nicht rosig aus: Japan kämpft seit Jahren gegen die Deflation. Fallen die Preise erst einmal, setzen Verbraucher darauf, dass Waren und Dienstleistungen immer günstiger werden – und halten sich mit Ausgaben zurück. Die Firmen bleiben auf ihren Produkten sitzen, verlieren Umsatz und müssen Mitarbeiter entlassen, was den Konsum weiter drückt.

Angesichts der positiven Entwicklung wird zumindest die von Abe geplante Verdoppelung der Umsatzsteuer wahrscheinlicher. Sie soll bis 2014 auf zehn Prozent steigen. „Wir haben neue positive Signale gesehen“, sagte Wirtschaftsminister Akira Amari. Wobei er mit „positiven Signalen“ freilich nicht nur jene aus der Wirtschaft meinte – sondern eben auch auf die Olympia-Entscheidung anspielte.

Steuererhöhungen mit Konjunkturpaket?

Die Spiele könnten der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt einen weiteren Schub geben – etwa durch milliardenschwere Investitionen in den Bau neuer Sportstätten. Vergangene Olympia-Veranstaltungen haben aber gezeigt, dass derartige Hoffnungen meist überzogen sind.

Einige Experten halten zudem eine Steuererhöhung für verfrüht, da eine solche den privaten Konsum abwürgen könne. Laut Amari müsste die Regierung ein Ausgabenpaket von umgerechnet mehr als 15 Milliarden Euro schnüren, um die negativen Folgen der Steuererhöhung abzufedern. Ein weiteres Konjunkturpaket würde freilich auch die erwünschte Wirkung (Geld für die Staatskasse) der Steuererhöhungen wieder konterkarieren.

Auf einen Blick

Die japanische Wirtschaft kommt dank der Regierungsmaßnahmen stärker auf Touren als gedacht. Sie wuchs im zweiten Quartal mit einer Jahresrate von 3,8 Prozent und damit schneller als alle anderen großen Industriestaaten. Dazu kommt der Zuschlag für die Olympischen Spiele 2020. Die Frage ist jetzt: Kommen die versprochenen Reformen und die angekündigten Steuererhöhungen? Experten verlangen jetzt schon wieder nach neuen Konjunkturpaketen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2013)

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