Wer durch die Finger schaut, braucht dazu keine Brille

Brille
BrilleClemens Fabry
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Eine Brille hat keinerlei Notwendigkeit für denjenigen, der nur durch die Finger schaut.

Eine Brille hat keinerlei Notwendigkeit für denjenigen, der nur durch die Finger schaut. Sehr wohl kann sich ein Sehbehelf jedoch als hilfreich herausstellen, wenn dem Begriff selbst auf die Spur gegangen werden soll. Denn wie das Wort „Brille“ entstanden ist, gehört nicht unbedingt zum präsentesten Teil der Allgemeinbildung. Beim Blick in etymologische Nachschlagewerke offenbart sich dann auch, dass das französische „briller“ („scheinen“, „glänzen“) zwar damit verwandt ist, doch den Ursprung hat man damit noch nicht freigelegt. Die Hypothese, dass sich der Begriff vom italienischen „Barilla“ ableitet, muss sogleich verworfen werden – wenn auch die Assoziation mit dem wienerischen „Nudlaug“ verlockend erscheint. Tatsächlich stößt der Suchende irgendwann auf den Halbedelstein Beryll, aus dem die ersten Brillen geschliffen wurden. Auf ihn stößt man heute unter anderem auch in Wörtern wie „Brillant“ und „Brillanz“. Brillant, nicht?

Weitgehend unabhängig davon wurden Brillen hierzulande auch gern „Augengläser“ genannt. Ein hübscher Begriff, der abseits allen Küchenlateins vor allem durch seinen naiven Zugang besticht. So wie „Flugzeug“ das Unverständnis physikalischer Gesetze zu einem Kompositum vermengt, so wie die „Schallplatte“ ganz ohne technisches Brimborium die Wirkungsweise eines Tonträgers erklärt, so fragen auch die Augengläser nicht nach durch Halbedelsteine gebrochenem Licht.

Interessant ist aber, dass von den genannten Begriffen nur die Augengläser heute als veraltet gelten. Als „Omawort“, das nur noch von der älteren Generation aktiv verwendet wird. So wie auch die „Kombinege“ heute kaum mehr Einlass in Kleiderschrank und Wortschatz der Jüngeren findet. Und auch „ein Pulver nehmen“, wo doch eigentlich eine Tablette geschluckt wird, kann getrost der Kategorie aussterbend zugerechnet werden. Doch damit genug für heute, ich begebe mich (nicht wirklich, nur der Schlusspointe willen) auf den Topf. Womit wir wieder bei der Brille wären.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2013)

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