Wenn der Druck an den Nerven zerrt

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Außenminister Zarif machte die Anspannung vor dem Beginn der Atomverhandlungen in Genf körperlich zu schaffen. Die Unterhändler aus Teheran erwägen Kompromisse.

Kairo/Teheran. So hoch die Erwartungen, so hoch die Nervenlast. „Ich kann weder laufen, noch sitzen und muss sofort zum Arzt“, schrieb Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif letzten Mittwoch auf Facebook. Am Morgen im Büro habe ihn der Schlag getroffen, als er in der erzkonservativen Zeitung „Kayhan“ die Schlagzeilen las.

Das Blatt behauptete, Zarif habe in einem Gespräch das historische Telefonat zwischen US-Präsident Barack Obama und Irans neu gewähltem Präsidenten Hassan Rohani als Fehler bezeichnet – eine dreiste Falschmeldung. Da brach der Körper des Chefdiplomaten für einen Tag unter dem enormen Druck zusammen. Zarif sagte alle Termine ab, ließ sich ins Krankenhaus fahren. Dort diagnostizierte der Arzt „Stress und Muskelverspannungen“ – eine Woche vor den von der ganzen Welt mit großen Hoffnungen erwarteten Atomverhandlungen in Genf.

Zwei Tage lang werden sich die Delegationen am Dienstag und Mittwoch gegenübersitzen. Außenminister Zarif führt Irans Unterhändler, EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton die Experten der 5+1-Gruppe. Zu ihr gehören die fünf Vetostaaten im UN-Sicherheitsrat – USA, Russland, China, England und Frankreich – plus Deutschland. Man werde per Powerpoint einen spezifischen Plan präsentieren, der hoffentlich in einem angemessenen Zeitraum zu Ergebnissen führt, hieß es am Wochenende von iranischer Seite, ohne dass bisher Details durchsickerten.

Eines aber ist gewiss. Anders als beim letzten Treffen im kasachischen Almaty im April unter dem damaligen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad werden die Verhandlungen diesmal in einem deutlich besseren Klima stattfinden. „Man wird lächelnde Gesichter sehen“, prognostizierte ein westlicher Diplomat. Schließlich wirbt Irans neu gewählter Präsident Rohani seit seinem Amtsantritt für ein besseres Verhältnis mit dem Westen und versprach, er wolle den jahrzehntelangen Atomstreit durch konstruktive Verhandlungen und transparentes Verhalten entschärfen.

Und so erwägt Teherans neue Führung offenbar Kompromisse auf zwei Feldern – der Urananreicherung und dem Zugang zu den Atomstätten. Aus westlicher Sicht müssen die Verhandlungen in erster Linie über Irans Vorräte des auf 20 Prozent angereicherten Urans gehen, von der eine waffenfähige Konzentration von 90 Prozent technisch sehr leicht zu erreichen ist. Gut 370 Kilogramm besitzt der Iran bereits, von denen die Hälfte für den Einsatz in Brennstäben weiterverarbeitet ist.

Kein Transport ins Ausland

Der Iran könnte anbieten, seine Hochanreicherung zu stoppen, wenn der Westen dafür komplette Brennstäbe für den Medizinreaktor in Teheran liefert. Vize-Außenminister Abbas Araqchi schloss allerdings aus, dass sein Land das 20-Prozent-Uran im Tausch gegen fertige Brennstäbe herausgeben werde: „Wir können beim Uran über alles reden – Mengen, Anreicherungsmethoden und Anreicherungsgrad –, nicht aber über einen Transport außer Landes“.

In Genf wird es aber auch um den künftigen Zugang der Wiener Atomkontrollbehörde IAEO zu Irans Atomanlagen gehen, allen voran den unterirdischen Stollen von Fordor bei Qom sowie zum Militärkomplex Parchin im Süden Teherans, wo der Westen Testanlagen für Atomsprengköpfe vermutet. „Wenn die IAEO Parchin ohne Behinderungen evaluieren kann und sich das Areal als sauber erweist, wäre das ein großer Fortschritt für das gegenseitige Vertrauen“, erläutert Gary Sick, langjähriger Iran-Spezialist im Nationalen Sicherheitsrat der USA.

Im Gegenzug wird Teheran fordern, dass der Westen das Recht auf zivile Atomtechnik anerkennt, wie es in den internationalen Atomkonventionen verankert ist. Vor allem aber möchte der Iran in den nächsten drei bis sechs Monaten die Lockerung der Sanktionen erreichen, die Wirtschaft und Währung so schwer zusetzen. Am ärgsten zu schaffen macht Teheran der blockierte Zugang zum internationalen Bankensystem und zum Weltmarkt bei Gold und anderen Edelmetallen. Die Ölexporte haben sich durch den internationalen Boykott halbiert, der Luftverkehr gehört wegen der fehlenden Ersatzteile zu den unfallträchtigsten der Welt.

Irans Konservativen schmeckt das diplomatische Tauwetter ohnehin nicht, und das letzte Wort hat der oberste Führer, Ali Khamenei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2013)

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