Ein unabhängiger Bildungsminister wäre ein gefährliches Symbol

Die Forderung der Neos, der rot-schwarzen Koalition die Bildungsmaterie wegzunehmen, mag gut klingen. Mehr als Populismus ist sie nicht.

Matthias Strolz scheint ein gutes Gespür dafür zu haben, womit er den vielen rot-schwarz-verdrossenen Österreichern aus der Seele spricht. Nicht umsonst geht der Klubchef der Neos mit der Forderung nach einem unabhängigen Bildungsminister hausieren. Die Materie soll, so Strolz, generell „aus dem Koalitionsvertrag herausgenommen“ werden. Den dazugehörigen Posten sollen SPÖ und ÖVP quasi in einem Akt der ideologischen Selbstaufgabe entweder an einen Unabhängigen, an den grünen Bildungssprecher Harald Walser oder an ihn selbst – also Strolz – abgeben. Der neue Bildungsminister wäre bei jedem Thema auf der Suche nach wechselnden Mehrheiten und nur dem Parlament verantwortlich. Nun ja.

In den Ohren all jener, die der triumphierenden Gesichter der Lehrergewerkschafter nach der x-ten ergebnislosen Verhandlungsrunde zum Dienstrecht überdrüssig sind, mag das verlockend klingen. Endlich keine Grabenkämpfe um Ganztagsschule, Gesamtschule oder Studiengebühr mehr; stattdessen Reformfreude und ein Wettstreit der besten Ideen.

Strolz' glaubwürdiges Ansinnen, Bewegung in das System zu bringen, mag in Zeiten, in denen das größte Vorhaben von SPÖ und ÖVP die verbesserte Selbstvermarktung zu sein scheint, erfrischend wirken. Mehr aber auch nicht. Sein Konzept würde das Bildungsthema an den Rand der politischen Bedeutungslosigkeit bringen.


Denn der neue, in der Theorie autonome Minister wäre vor allem eines: allein zwischen gleich mehreren Fronten. Ein Gesetzesvorschlag via Regierungsvorlage? Fehlanzeige. Im Ministerrat gilt das Prinzip der Einstimmigkeit. Ausgerechnet diese Einstimmigkeit würde unser fiktiver Minister, wenn er gar so innovativ ist, wohl mit Sicherheit nicht erlangen. (Dürfte er überhaupt am Ministerrat der Koalition teilnehmen – und dort gar die Pläne der übrigen Minister mit seinem Veto blockieren?) Der einzige Ausweg, der ihm bliebe: Er müsste unaufhaltsam durch die Couloirs des Parlaments eilen und dort um Zustimmung der Abgeordneten werben, die seine Idee mittels Initiativantrag zur Gesetzesvorlage machen. Leider hätte unser Minister im Abtausch für diese Zustimmung nichts zu bieten. An rote und schwarze Mandatare brauchte er sich – Stichwort Klubzwang – gleich gar nicht zu wenden. Problematischerweise verfügen ebendiese über die Mehrheit im Nationalrat. Wie ein parteifreier Minister überdies mit den Lehrergewerkschaftern zu verhandeln versucht, möchte man sich gar nicht vorstellen. Wäre er nicht parteifrei, sondern ein Grüner oder ein Neo (oder wie heißt die Einzahl von Neos überhaupt?), würde er es sich rasch mit der eigenen Fraktion verscherzen, setzte er nicht alles daran, deren Ideen zu forcieren.


Abseits dieser verfahrenstechnischen Gedankenspiele, für die Strolz sicher eine weitere enkelfitte Lösung aus dem Ärmel schütteln würde, hat aber auch die jüngere Geschichte bewiesen, dass das Konzept der parteifreien Minister nicht erfolgversprechend ist. Um den Beweis anzutreten, muss man nicht einmal die an sich glücklose (und parteifreie) Claudia Bandion-Ortner bemühen, die als Justizministerin in der Realität natürlich ebenso wenig parteifrei war wie zuvor Dieter Böhmdorfer. Gerade Bildungsreformen scheiterten zuletzt nicht an der zu starken Verankerung der Minister in der Partei, sondern eher an der fehlenden Hausmacht. Man erinnere sich an Claudia Schmied, die – vom Kabinett Gusenbauer übrig geblieben – von ihrer SPÖ bei jeder guten und weniger guten Gelegenheit düpiert wurde. Auch Quereinsteiger Karlheinz Töchterle gelang es nur bedingt, der ÖVP den Wert der Unis nachhaltig nahezubringen.

Es liegt nun an SPÖ und ÖVP, bereits jetzt konkrete Projekte unter Dach und Fach zu bringen, deren Umsetzung sofort beginnen kann. Mit Wilfried Haslauer als Verhandler hat die ÖVP einen Schritt in diese Richtung getan. Haslauer wirkt etwa bei der Gesamtschule angenehm sachorientiert. Gabriele Heinisch-Hosek kann selbiges nun für die SPÖ beweisen.

Einen koalitionsfremden Minister als bestenfalls kurzfristiges Symbol für „neuen Stil“ kann da wahrlich niemand brauchen. Die Zeit für Symbolpolitik ist auf dem Bildungssektor längst vorbei.

E-Mails an:christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

NATIONALRATSWAHL 2013: HEINISCH-HOSEK / OSTERMAYER / RUDAS / DARABOS
Niessl, Ostermayer, Töchterle,…

Das Land der vielen Bildungsminister


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.