Nachfolge: Das Kreuz mit dem Pflichtteil

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Das Pflichtteilsrecht verhindert häufig, dass die Übergabe eines Betriebes innerhalb der Familie gelingt. Der Seniorchef kann aber vieles dazu beitragen.

Wien. „Für die meisten Menschen, Unternehmer nicht ausgenommen, ist es ein riesiges Problem, ihren Nachlass ordentlich zu regeln. Ein Faszinosum!“, sagt Rechtsanwalt Alfred Nemetschke. Erst vor Kurzem hatte er eine Unternehmerfamilie für ein erstes Beratungsgespräch in seiner Kanzlei. Sie wollte sich informieren, wie man denn die Übergabe an die nächste Generation so vorbereiten könne, dass erstens die Fortführung des Unternehmens nach dem Tod des Padrone nicht gefährdet sei und zweitens sich keiner der Erben benachteiligt fühle.

Erfahrungsgemäß schon rein zwischenmenschlich keine leichte Aufgabe. Und rechtlich auch nicht. „Das Erbrecht zählt zum Komplexesten, was man sich vorstellen kann“, sagt Nemetschke. Seine Klienten seien überrascht gewesen, was es zu bedenken und noch zu regeln gäbe, um das genannte Ziel tatsächlich zu erreichen.

Zu großen Problemen kommt es vor allem dann, wenn der Seniorchef keinerlei Vorkehrungen in Form eines Testaments oder einer Vorabschenkung getroffen hat, bevor er das Zeitliche segnet. Das bestätigt auch Notar Michael Umfahrer. Dann tritt nämlich die gesetzliche Erbfolge ein und zieht Konsequenzen nach sich, die dem Verstorbenen häufig gar nicht bewusst waren. Ist er beispielsweise verheiratet gewesen und hat mit seiner Frau drei Kinder, so erben – sofern es überhaupt ein Vermögen gibt – seine Frau ein Drittel und die drei Kinder zusammen zwei Drittel davon. Eine relativ einfache Übung, wenn es nur darum geht, Bares, Wertpapiere oder Immobilien aufzuteilen. Schwieriger wird die Sache, wenn das hinterlassene Vermögen einzig und allein im Betrieb des Verstorbenen besteht. Findet sich unter den Erben niemand, der das Unternehmen fortführen will, werden sie sich wahrscheinlich für einen Verkauf entscheiden. Auch nichts, was normalerweise von heute auf morgen über die Bühne geht. Aber die Angehörigen können, sobald sich ein Käufer gefunden hat, immerhin mittelfristig mit Eingängen auf ihren Konten rechnen.

Pflichtteil bedeutet Anspruch auf Geld

Haariger ist es, wenn eines der Kinder, etwa die Tochter, den Betrieb übernehmen will. Sie muss dann ihrer Mutter und ihren Geschwistern den Erbteil abgelten, der diesen zusteht. Die Mittel dafür wird sie nur aufbringen, wenn sie selbst genügend Geld auf der hohen Kante hat. Andernfalls kann sie die Nachfolge ihres Vaters nicht antreten. „Die Übergabe ist in so einem Fall besonders teuer“, sagt Umfahrer. „Hätte der Vater die Tochter in seinem Testament als Haupterbin eingesetzt oder ihr das Unternehmen schon rechtzeitig zu Lebzeiten übertragen, wäre nur der Pflichtteil fällig.“ Er macht in diesem Fall die Hälfte des gesetzlichen Anspruchs aus. Ein veritabler Unterschied.

Doch oft reicht auch „nur“ der Anspruch auf den Pflichtteil aus, um den übernahmewilligen Erben ins finanzielle Trudeln zu bringen. Er ist – und das ist die Crux aus unternehmerischer Sicht – nämlich ein Geldanspruch, der aus dem Nachlass bezahlt werden muss. Wie hoch der Betrag konkret ist, hängt von der Bewertung des Unternehmens ab. Sie ist Grundlage für die Pflichtteilsberechnung. „Weil diese Ansprüche bar, aber in der Regel nicht aus den Gewinnen beglichen werden können, bedeuten sie für Unternehmen oft den Todesstoß“, sagt Werner Swoboda. Der 69-Jährige ist Eigentümer von Nowak & Tobisch, einem Unternehmen, das seit 1924 technische Präzisionsfedern herstellt. Swoboda ist gerade dabei, seinen beiden Söhnen den Familienbetrieb zu übergeben. Jeder bekommt die Hälfte der Geschäftsanteile der GmbH. Mit seinen beiden Töchtern, die nicht in der Firma tätig sind, setzte er sich deshalb zusammen und verständigte sich mit ihnen darauf, sie auf den Pflichtteil zu setzen. Für seine wirtschaftliche Absicherung nach seinem Rückzug wird jedoch das Unternehmen aufkommen. „Wir sind ein kleiner Betrieb. Es war nicht schwer, einen Weg zu finden, sodass es die Firma auch nach meinem Tod hoffentlich noch viele Jahrzehnte geben wird“, sagt Swoboda.

Das Um und Auf sei es, im Zuge des Übergabeprozesses alle möglichen Schwierigkeiten offen vor der Familie an- und auszusprechen. Das sei Aufgabe der älteren Generation, betont er: „Wenn die Jungen sich nur über den uneinsichtigen Alten ärgern, weil der nicht bereit ist, die Dinge zu regeln, ist es kein Wunder, wenn sie irgendwann den Hut draufhauen.“ Das passiert laut Angaben der KMU Forschung Austria immer häufiger. Immer mehr Kinder haben kein Interesse mehr, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, und orientieren sich beruflich lieber neu.

„Erleichterungen sind notwendig“

Damit sich dieser Trend nicht noch weiter verstärkt, sollte alles getan werden, damit die finanziellen Hürden bei Übergaben innerhalb der Familie möglichst abgebaut werden, fordern die österreichischen Notare schon länger. Kann ein Unternehmen von dem Erben nicht fortgeführt werden, weil er nicht in der Lage ist, den anderen ihren Pflichtteil auszubezahlen, sollte das Gesetz die Möglichkeit einer Stundung vorsehen, so ihre Forderung. Dass es ein Balanceakt ist, den Interessen aller Erben gerecht zu werden und gleichzeitig das Überleben des Familienunternehmens zu sichern, ist Umfahrer durchaus bewusst.

Einfacher ist die Lage freilich, wenn der Senior jene Erben, die mit dem Unternehmen künftig nichts zu tun haben werden, zu einem Pflichtteilsverzicht bewegen kann. Der ist aber nur in Form eines Notariatsakts möglich. Dafür bräuchte man allerdings schon sehr viel Verständnis seitens der anderen Kinder, sagt Swoboda. „Wer verzichtet schon gerne? Aber jede Familie funktioniert anders. Jede Konstellation ist sehr individuell. Darum muss man sich eben an einen Tisch setzen und gut beraten sein. Das Ganze kann ganz harmlos ablaufen. Wenn es Gegenwerte wie etwa ein Haus gibt, dann kann für die Betroffenen ein Verzicht durchaus sinnvoll sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2013)

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