Oetker: Wo der Pudding braun ist

(c) EPA (Bernd Thissen)
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Das Backpulver und die Nazis. Nach dem Tod des Patriarchen hat Sohn August Oetker die Firmengeschichte in der NS-Zeit offenlegen lassen, und betont: "mein Vater war Nationalsozialist." Eine Geschichte voller Vater-Sohn-Geschichten.

Kinder, lasst mich damit in Ruhe. Das war eine schlimme Zeit.“ Und: „Nicht zu meinen Lebzeiten.“ Sprach stets der Vater, glaubt man dem Sohn. Der Vater war Rudolf-August Oetker. Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er Firmenchef, Anfang der 1980er-Jahre überließ er das Tagesgeschäft dem Sohn August. Aber in einem konnte sich der Neue nie durchsetzen: Was Oetker von 1933 bis 1945 so alles getrieben hat, sollte nicht besprochen werden, schon gar nicht öffentlich.

Wie bekannt einem das alles vorkommt; nur dass die meisten solchen Geschichten schon so lang zurückliegen. Um die Jahrtausendwende hat etwa eine große Aufarbeitung in deutschen Konzernen begonnen, da ließen etwa die Deutsche Bank, Daimler und Volkswagen freimütig die dunklen Kapitel ihrer Unternehmensgeschichten niederschreiben. Kein Wunder, waren doch die belasteten Generationen weggestorben; außerdem beugte die entwaffnende Offenheit etwaigen von außen geschürten „Skandalen“ vor.

Wer belastet gern die Eltern?

Doch Familienunternehmen haben sich generell schwerer damit getan, wer belastet schon gern seine Eltern oder sonstigen Vorfahren, vor allem, wenn die so lang am Leben bleiben? Deswegen hat es im Hause Oetker auch über sechzig Jahre gedauert, bis zum Tod des langjährigen Patriarchen Rudolf-August. Gleich danach gab sein Nachfolger als „Dr. Oetker“, August Oetker, Historikern Zugang zum Firmenarchiv und etlichen Umzugskartons mit Korrespondenz aus den „brisanten Jahren“. Die daraus resultierende Studie hat das Unternehmen selbst gezahlt, nun ist sie als Buch erschienen: „Dr.Oetker und der Nationalsozialismus“.

Wie sollen Söhne die Vergangenheit des Vaters darstellen? Pikanterweise kämpft dieser Tage ausgerechnet der Beck Verlag, der das Buch herausgebracht hat, mit dieser Frage. Der bedeutende kulturhistorische Verlag wollte eigentlich seinen 250.Geburtstag bejubeln, stattdessen streiten sich zwei Brüder an der Spitze darum, ob die von ihrem Vater vorgenommene Einverleibung eines jüdischen Verlags 1933 eine „Arisierung“ war.

Für August Oetker ist die Sache klar, er nennt seinen Vater einen „Nationalsozialisten“. Der war Mitglied der Waffen-SS, bestritt aber, das aktiv angestrebt zu haben; natürlich tat er das, sagen die Historiker. Sie werfen ihm auch vor, dass er nach dem Krieg weiter mit Altnazis zusammengearbeitet und Jugendfreund Rudolf von Ribbentrop (den Sohn von Hitlers Außenminister) bei einer zur Firmengruppe gehörenden Bank untergebracht habe sowie an Veteranen von Hitlers Leibstandarte-SS gespendet zu haben.

Auch da spielt wieder eine Vater-Sohn-Geschichte herein. Denn Rudolf-Augusts geliebtes Vorbild war sein Stiefvater und Firmenchef bis 1944, Richard Kaselowsky. Und der war nun wirklich ein Hitler-Fan, der gern signierte Exemplare von „Mein Kampf“ verschenkte und als Mitglied des „Freundeskreises Reichsführer-SS“ immer wieder große Summen an Himmler spendete. Ein typischer national-liberaler, konservativer Bürger, sagen die Historiker, der sich mangels Alternativen Hitler zuwandte.

Wo war der Oetker-Pudding sonst noch schokobraun? Man hatte Zwangsarbeiter in Unternehmen, an denen Oetker beteiligt war, für den Bonner Historiker Joachim Scholtyseck war das allerdings der Normalfall: „Wirklich sauber war kein Unternehmen.“ Selbst Regimegegner hätten Zwangsarbeiter einsetzen müssen, wenn eigene Mitarbeiter an der Front kämpften. Und man hatte keine Bedenken, „arisierten“ Besitz günstig zu kaufen, etwa eine Villa oder eine Brauerei, mit der die Firma ins bis heute gepflegte Brauereigeschäft einstieg.

Alles in allem: die übliche Geschichte von Mitläufern und gedankenlosen Profiteuren. Anregend wäre ein Vergleich mit der Gegenwart: Warum beauftragen Firmen nicht kritische Wissenschaftler damit, zu untersuchen, wie sie heute mitlaufen bei dem, was im Weltgeschäft als üblich (und für viele als schändlich gilt) – einfach, „weil es alle so machen“? Das wäre nun wirklich ein moralisches Verdienst.

OETKER: WIE ALLES BEGANN

Der Bielefelder Apotheker August Oetker begann 1891, das soeben in den USA erfundene Backpulver zu vertreiben, wobei er den Titel „Doktor“ zur Vertrauensbildung einsetzte. Marketing und Disziplin machten ihn erfolgreich. Heute ist die Dr. August Oetker AG einer der größten international agierenden deutschen Familienkonzerne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2013)

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