Hirscher und die wilden Hunde

SKI ALPIN - FIS WC Soelden, Vorberichte
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Der 24-jährige Salzburger geht als Titelverteidiger des Gesamtweltcups in die neue Saison. Im Riesentorlauf von Sölden kommt es erneut zum Duell mit Ted Ligety.

Er ist erneut nominiert als Österreichs Sportler des Jahres, er hat in der vorigen Saison die Skifans glücklich gemacht bei der Heimweltmeisterschaft in Schladming, er hat das Kunststück vollbracht, den Titel des Gesamtweltcupsiegers zu verteidigen. Ihm selbst ist das heute noch alles ein wenig unheimlich. Das betont Marcel Hirscher immer wieder. Und er unterstreicht auch vor dem Opening am Wochenende in Sölden, dass dies alles keine Selbstverständlichkeit war. Gold schon gar nicht. „In Wahrheit ist das alles unfassbar.“ Vor allem die Dominanz im Slalom, die Beständigkeit in den technischen Disziplinen. Am Ende gab es die große Kristallkugel als Lohn. Die zweite hintereinander. Und auch vor dem ersten Weltcuprennen der neuen Saison fällt der Name Hirscher, wenn die heißesten Kandidaten für diesen Olympia-Winter genannt werden.

Der 24-jährige Salzburger würde sich selbst niemals als Favoriten bezeichnen. Hirscher ist es in den vergangenen Monaten vor allem auch darum gegangen, sich mit seinem größten Rivalen zu beschäftigen – mit dem US-Superstar Ted Ligety. Besser gesagt mit dem Fahrstil des besten Riesentorläufers der vergangenen Jahre. Mit Ligety ist zuletzt niemand mitgekommen, keiner versteht es, das Material so effizient und schnell einzusetzen wie er. Marcel Hirscher und sein Trainervater Ferdinand sind Tüftler, der Ausrüster (Atomic) hat ebenfalls alles getan, um dem „Geheimnis“ des US-Amerikaners auf die Spur zu kommen. „Ich weiß ungefähr, wie es funktioniert“, sagt Hirscher. Aber Zweifel sind geblieben. Auch ein wettkampfmäßiger Vergleich fehlt.

Rest der Welt.
Sölden wird zur ersten Standortkontrolle im Riesentorlauf. Ein Gletscherrennen das nicht überbewertet werden darf, aber erste Aufschlüsse gibt. Im Vorjahr war der Vorsprung von Ligety auf den Rest der Skiwelt enorm, der Riesentorlaufweltmeister blieb bis zum Schluss das Maß der Dinge. Und der US-Amerikaner glaubt auch heuer wieder an seine Stärke. Er sieht keine Gefahr, dass ihn einer so leicht vom Thron stoßen könnte. Marcel Hirscher, der Anfang Mai das Training wieder aufgenommen hat, wagt vor Sölden keine Prognosen. „Ich habe mich professionell, intensiv und umfangreich vorbereitet. Das Rennen wird zeigen, wie unsere Arbeit wirklich war.“ Eine Art erster Leistungstest. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Abfahrtstraining hat der Salzburger nicht weiter forciert. „Man wird nicht von heute auf morgen ein Abfahrer. Zum Gleiten brauchst du Talent und jahrelanges Training.“ Damit hat sich das Thema Abfahrt auch für diesen Winter erledigt. Das Thema Super-G bleibt hingegen aktuell. „Hin und wieder“ wird Hirscher in dieser Disziplin an den Start gehen.

Der Werbewert des feinen Technikers ist gewaltig gestiegen, sein Hauptsponsor Raiffeisen hat darum den Sponsorenvertrag bereits vorzeitig verlängert. Auch für Red Bull darf Hirscher werben. Druck versucht der Weltmeister von sich fernzuhalten. „Den Menschen da draußen muss klar sein, dass es nicht immer so gut laufen kann“, sagt er. „Und nicht jede Saison kann so erfolgreich sein wie die letzte.“ Großes Ziel ist natürlich Olympia. „Aber ich bin keine Maschine.“ An seiner Rolle als ÖSV-Zugpferd muss sich Hirscher erst gewöhnen. Auch an den Rummel um seine Person. „Star zu sein“, sagt er, „das muss man lernen.“ Erst unlängst habe ihm einer auf der Straße zugerufen: „Hallo, Herr Weltmeister.“ Das klinge immer noch ein wenig komisch für ihn. Aber er wird sich daran gewöhnen. Ebenso an die Rolle, der Gejagte zu sein. „Es war, wie vor einer großen Mauer zu stehen und es kommen hunderte wilde Hunde auf dich zu.“

Tina Maze geehrt.
Ausgezeichnet wurde in Sölden Tina Maze. Die Slowenin hat in der abgelaufenen Saison die große Kristallkugel gewonnen – mit 2414 Punkten. Das bedeutet Rekord. Bei der WM in Schladming hat sie Gold und zweimal Silber erobert. Aber Maze wurde nicht nur als erfolgreichste Athletin geehrt, sondern auch als Sportlerin mit dem größten Charisma. Am Rettenbachferner geht sie am Samstag nicht nur als Vorjahressiegerin an den Start, sondern mit dem Wissen, auf diesem Hang bereits dreimal triumphiert zu haben. Sie selbst machte bei der Pressekonferenz des neuen Ausstatters (Fila) keine großen Ankündigungen. „Ich will immer besser werden – und man kann immer etwas verbessern.“

Großes Ziel ist natürlich auch für sie Olympia. „Das sind die wichtigen Rennen für mich. Jetzt ist es noch ein bisschen zu früh, das zu fokussieren. Ich denke, dass Olympia-Gold das Höchste ist, das man erreichen kann. Da ist ein Tag entscheidend. Beim Gesamtweltcup sind es 40 Rennen, man kann das einfach nicht vergleichen.“

Tina Maze liebt Gold und Kristall. Danach schielen auch die Österreicherinnen. Die Mannschaft wird von Anna Fenninger und Kathrin Zettel angeführt. „Ich bin sehr gespannt und ich glaube, alle sind neugierig, wo sie stehen. Aber das Ungewisse macht einen auch nervöser als sonst. Ich habe mich aber in den vergangenen Jahren mit dem Hang ganz gut angefreundet“, sagt Fenninger. Vom Gefühl her hätte die Salzburgerin aber gern noch ein paar Tage mehr Zeit zur Vorbereitung gehabt. „Aber egal. Ich bin bereit und vom Kopf her so weit, dass ich sagen kann, ich kann mein Bestes geben und brauche mich nicht zu verstecken.“ Das sehen jedoch viele andere auch so. Entscheiden wird die Uhr.

GLETSCHER

65 %maximale Neigung.
Die Vorbereitungen für die Rennen beginnen Ende September/Anfang Oktober. Es werden rund 12.000 Kubikmeter Schnee produziert. Kurz vor den Rennen wird die Piste vereist. Dafür braucht man 800.000 Liter Wasser.

220auf der Piste.
An Renntagen befinden sich zwischen Start und Ziel 220 Personen auf der Piste. Sicherheit: 7000 m Absperrzaun, 3500 m Sicherheitszaun, 180 m Airfence, 260 m Absperrgitter.

20 Jahre Sölden

Tina Maze und Hermann Maier
Die Slowenin Tina Maze konnte bisher als einzige Athletin in Sölden dreimal gewinnen. Hermann Maier führt bis heute die Herrenwertung mit drei Siegen an. Die meisten Stockerlplätze heimste Ted Ligety ein. Im Vorjahr gewann der US-Amerikaner mit einem respekteinflößenden Abstand von 2,75 Sekunden. Die Nationenwertung im Ötztal führt Österreich an.

Start auf 3040 Meter
Start: 3040 m, Ziel: 2670 m, Länge: 116 m, Höhendifferenz: 370 m, Geschwindigkeit: 75–85 km/h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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