Facing Reality: Wie steht's um die Kunst in Wien?

Der Start der neunten Vienna Art Week sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wiener Szene stillsteht.

Ohne Gold scheint es nicht zu gehen in der Wiener Kunstszene, das hat Klimt vor über 100 Jahren vor den byzantinischen Mosaiken in Ravenna erkannt. Das entdecken wir heute bei der Betrachtung der Einladungen für die Viennafair oder die Vienna Art Week, die gestern zum neunten Mal angelaufen ist. Für die Kunstvermarkter sind wir wohl alle solche Russen, wie man sie sich hierzulande eben vorstellt. Sagen wir es positiv: Man spielt anscheinend gern mit dem imperialen Klischee, das sich die Welt von Wien gemacht hat und das wir ihr auch weiterhin touristenfreundlich zu erhalten trachten.

Wien um 1900 boomt auf dem internationalen Kunst- und Ausstellungsmarkt. „Facing the Modern: The Portrait in Vienna 1900“ heißt etwa die große Herbstausstellung der National Gallery in London, die noch bis 12.Jänner läuft. Von Waldmüller bis Kokoschka hat man sich hier mit Leihgaben aus der ganzen Welt eingedeckt, hat Edmund de Waal, Autor des „Hasen mit den Bernsteinaugen“, für einen Katalogbeitrag engagiert – und dennoch nur eine recht unbefriedigende, chaotische, teils von mittelmäßiger Qualität gestörte Ausstellung geschafft. Glaubt man den recht einhelligen britischen Pressemeinungen.

Ein Ausblick auf die Kunst in Wien um 2000? Darauf wurde in London verzichtet. Natürlich haben immer wieder österreichische Künstler der Gegenwart Auftritte im Ausland. Viele sind es nicht. Zwar hat sich Wien in den vergangenen zehn Jahren wieder einen guten Ruf als Kunststadt aufgebaut, durch die Professionalisierung der Museen, als Treffpunkt einer jungen, internationalen Kunstszene. Eine gewichtige Lobby stellt die österreichische Szene aber nicht dar. Was sich in den nächsten Jahren noch verschlechtern könnte – waren es doch nicht umsonst die beiden Wiener Kunst-Unis, die durch internationale Besetzungen Jugend aus ganz Europa anzog. Doch auf der Akademie ist Stillstand eingetreten, die meisten Professoren glitten in die Pragmatisierung. Und auf der Angewandten scheinen schleichend die Assistenten übernommen zu haben.

Sind die Studierenden fertig, stoßen sie mit dem Wiener Kunstmarkt auf ein hartes Pflaster. In einer der vielen renommierten Galerien unterzukommen ist schwierig, die Programme sind festgeschrieben, junge Galerien sperren praktisch keine auf. Fehlt das Startkapital? Ist die Konkurrenz unerwünscht? Auch junge Kunstkäufer, die vielleicht einmal Sammler werden, tun sich schwer – die Viennafair ist ihnen zu groß und verwirrend, die Wiener Galerien sind ihnen zu hermetisch, die Kunst ihrer Generation ist ihnen zu teuer. Facing Reality, nicht nur „Modernity“: Es fehlen in Wien neue Gesichter und neue Initiativen. Und sei es eine „Affordable Art Fair“, die gerade einen Siegeszug durch Städte wie London und Hamburg angetreten ist.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2013)

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