Insolvenzverwalter: Das Geschäft mit den Firmenleichen

Wenn Unternehmen straucheln, beginnt die Arbeit der Spezialisten. Sie entscheiden bei Firmeninsolvenzen über Tod oder Überleben.

Wien. Eigentlich macht man einen großen Bogen um sie: Welcher Unternehmer oder Firmenchef hat schon gern einen Termin bei einem Masseverwalter? So ein Treffen bedeutet nichts anderes als Zores, und zwar große. Dennoch: Anwälte, die auf dieses Gebiet spezialisiert sind, haben wachsende Bedeutung. Fast 4200 Firmeninsolvenzen gab es heuer in den ersten drei Quartalen, davon wurden 2400 Verfahren eröffnet. Genug Arbeit also für Anwälte, die sich in diesem Metier bewegen. Denn Insolvenz bedeutet nicht automatisch den Tod eines Unternehmens – die Überlebenschance hängt auch von der Kompetenz des Masseverwalters ab.

870 Anwälte enthält die am Oberlandesgericht Linz verwaltete Insolvenzverwalterliste für ganz Österreich. Aber nur ein kleiner Kreis von rund 30 Juristen kommt regelmäßig bei spektakulären Fällen zum Einsatz. Da ist es dann mit der oft gewünschten Diskretion vorbei: Aufsehenerregende Pleiten finden auch große öffentliche Aufmerksamkeit, viel Arbeit – aber auch gute Geschäfte.

Stephan Riel kann davon ein Lied singen. Er ist Masseverwalter in dem mit Abstand größten Insolvenzfall der Zweiten Republik – dem Zusammenbruch des Baukonzerns Alpine. Riel hat sich Verstärkung geholt, um diesen Fall betreuen zu können. An der Alpine arbeiten die Kollegen seiner Kanzlei, Johannes Jaksch und Alexander Schoeller, mit. Außerdem gehören Ulla Reisch, Georg Freimüller und Michael Lentsch dem Team an. Reisch ist überdies Masseverwalterin bei der Alpine Polen, die als gesonderte Insolvenz geführt wird. Und bei der Pleite der Alpine Holding ist Karl Friedrich Engelhart zugange. Diesen Juristen steht ebenfalls ein Schwergewicht der Insolvenzszene gegenüber: Alexander Isola betreut die Alpine als Rechtsberater. Isola hat sich unter anderem bei den Pleiten der Assmann-Gruppe und der Bank für Handel und Industrie einen Namen gemacht. Riel wiederum war zuletzt beim Schwedenbombenerzeuger Niemetz als Masseverwalter tätig. Reisch wiederum war in der Pleite der Sardana-Handelsfirmen engagiert und Freimüller wickelte die Niedermeyer-Insolvenz ab.

Den Gläubigern verpflichtet

Die Truppe um Riel wird noch lange am Fall Alpine arbeiten, so wie auch Rudolf Mitterlehner die Dayli-Pleite nicht schnell zu den Akten legen kann. Große Insolvenzfälle ziehen sich manchmal über Jahre – je nachdem, wie verschlungen das Firmenkonstrukt und wie schwierig die entsprechende Verwertung ist. Außerdem ist nicht unwesentlich, ob der einstige Manager/Eigentümer mitspielt. Prinzipiell ist der Masseverwalter den Gläubigern verpflichtet – er soll das Unternehmen und noch vorhandene Vermögenswerte bestmöglich verwerten bzw. eine Fortführung ermöglichen. Gerade bei Letzterer ist die Mitarbeit des Schuldners unumgänglich.

Deshalb sind wirtschaftliche Kenntnisse so wichtig. „Man ist Jurist und Unternehmer“, beschreibt Mitterlehner die Herausforderung und den Reiz der Aufgabe. Masseverwalter werden zwar vom Gericht bestellt – spannende oder lukrative Fälle kann man sich also nicht angeln. Aber in der Praxis wählt ein Richter gerade bei heiklen Fällen einen Anwalt aus, der in der jeweiligen Branche bzw. der Größe eines Konkursfalles schon Erfahrung bewiesen hat.

Letztlich geht es aber nicht nur um Fachwissen. Bei einer Insolvenz geht es ja immer auch um menschliche Schicksale – „niemand geht freiwillig pleite“, sagt der Insolvenzexperte des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV), Hans-Georg Kantner. Deshalb sei in dem Spannungsfeld zwischen Gläubigern, ihren Schutzverbänden, den Banken, dem Gericht und dem Schuldner auch viel psychologisches Gespür notwendig. Die Dayli-Pleite ist ein gutes Beispiel dafür: Der ehemalige Eigentümer, Rudolf Haberleitner, hat den Niedergang der Drogeriemarktkette lange nicht wahrhaben wollen.

Über Geld spricht man nicht

Unternehmerisches Denken, Einfühlungsvermögen, Organisationstalent und rasche Reaktion – das lernt man nicht an der Uni. Mitterlehner und Riel hatten Glück: Sie waren schon als Konzipienten bei spektakulären Fällen wie Konsum und Carrera dabei.

Und was springt für die Knochenarbeit heraus? Das Honorar ist in der Insolvenzordnung genau festgelegt und richtet sich nach der Höhe des Verwertungsvolumens: Die ersten 22.000 Euro bringen 20 Prozent, von den weiteren 500.000 Euro bleiben zehn Prozent, ab sechs Mio. Euro gibt es ein Prozent. Wobei die Schwierigkeit und Größe eines Verfahrens sowie eine besonders hohe Quote eine Erhöhung erlauben. Alpine und Dayli – die zweitgrößte Pleite im laufenden Jahr bisher – sind also Filetstücke, so wie einst der Konsum, der Johannes Jaksch und seinen Anwaltskollegen rund sieben Mio. Euro brachte. Abgesehen davon, dass auch Anwälte nicht über Geld sprechen – das Honorar streift ja nicht einer allein ein, sondern das Team. Und das umfasst bei der Alpine rund 200 Personen.

AUF EINEN BLICK

870 Anwälte umfasst die am Oberlandesgericht Linz verwaltete Insolvenzverwalterdatei. Aus ihr wählen die Gerichte im Fall einer Insolvenz den Insolvenzverwalter aus. Bei besonders heiklen, komplizierten und/oder großen Fällen werden Juristen mit entsprechender Erfahrung ausgewählt. Großinsolvenzen wie die des Baukonzerns Alpine werden im Team abgewickelt.

Bei einer Insolvenz geht es nicht nur um juristisches Fachwissen – mindestens so wichtig sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse und psychologisches Gespür. Denn die betroffenen Menschen, sowohl auf der Schuldner- als auch der Gläubigerseite befinden sich in einer Ausnahmesituation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2013)

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