Kiew macht Moskau für Kurswechsel verantwortlich

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Nachdem die Ukraine das EU-Assoziierungsabkommen eingefroren hat, spricht die Regierung von einem "starken wirtschaftlichen Druck" Russlands.

Nachdem die Ukraine vergangene Woche überraschend die Vorbereitungen des EU-Assoziierungsabkommens auf Eis legte, ist am Dienstag ein Streit um die Schuldfrage entbrannt. Während Russland am Vormittag noch Vorwürfe, man habe massiven Druck auf Kiew ausgeübt, als "unangemessen" zurückwies, machte Kiew am Nachmittag klar Moskau verantwortlich. "Russland hat uns vorgeschlagen, die Unterzeichnung zu verschieben und Verhandlungen aufzunehmen", erklärte der ukrainische Premier Mikola Asarow in Kiew. Zuvor war lediglich von "starkem wirtschaftlichen Druck" die Rede gewesen.

Russland ist für die Ukraine der wichtigste Gaslieferant und größter Handelspartner. Präsident Viktor Janukowitsch wolle aber trotz der Absage des Assoziierungsabkommens am Gipfel mit der Europäischen Union Ende der Woche in Vilnius teilnehmen. Es solle ausgelotet werden, ob es eine Lösung für die Wirtschaftsprobleme seines Landes geben könne, an der sowohl die EU als auch Russland beteiligt seien, so Asarow. Anfang Dezember werde die Ukraine Gespräche mit Russland aufnehmen, um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern wiederzubeleben. Die Ukraine sei kein "Schlachtfeld zwischen Russland und der Europäischen Union", fügte Asarow hinzu. Vielmehr müssten die "eigenen Interessen" der Ukraine beachtet werden. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) warf er vor, dass er "entweder die wirtschaftliche Situation der Ukraine nicht versteht" oder bei der Vergabe von Krediten "absichtlich nicht hinnehmbare Bedingungen" stelle.

"Kein Revierkampf"

Beim EU-Gipfel zur "Östlichen Partnerschaft" in Vilnius hätte eigentlich das Assoziierungsabkommen unterzeichnet werden sollen. Vonseiten der EU gebe es auch noch immer die Möglichkeit, auf dem Gipfel mit der Ukraine das fertig ausgehandelte Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen, sagte ein hochrangiger EU-Diplomat am Dienstag in Brüssel. Es sei aber nicht wahrscheinlich, dass die ukrainische Führung ihre Entscheidung bis zum Ende der Woche rückgängig mache.

Spannungen mit Russland über den Druck Moskaus auf die Ukraine versuchte man in Brüssel herunter zu spielen. Für die EU gehe es "nicht um einen Revierkampf", betonte ein ranghoher Diplomat. Die Partnerländer sollten gute Beziehungen sowohl zu Russland als auch zu der EU haben. Ein Mitspracherecht Moskaus bei einem bilateralen Handelsabkommen wurde aber strikt abgelehnt.

Warnung an Russland

Dennoch will die EU nach Informationen der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" in Vilnius eine Warnung an die Adresse Russlands verabschieden, sich nicht in die Entscheidungen seiner Nachbarn einzumischen. Auf polnischen Vorschlag solle eine Erklärung verabschiedet werden, die eine "verhüllte Warnung" enthalte, berichtete das Blatt am Dienstag.

Auch die Gastgeberin des EU-Gipfels, Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, gab sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters wenig diplomatisch. Sie sprach von einem "teuren Geschenk für Russland." Freude werde die Regierung in Moskau an der Ukraine nicht haben, sagte Grybauskaite in Anspielung auf die hohe Schuldenlast und die wirtschaftlichen Probleme der ehemaligen Sowjet-Republik. Die Ukraine habe keine Entscheidung "zwischen Ost und West getroffen", sondern verhalte sich vielmehr "wie auf einem Basar": "Sie prüfen, wer ihnen am meisten geben wird." Das sei politisch inakzeptabel.

Timoschenko im Hungerstreik

In der Ukraine selbst sind in den vergangenen Tagen Zehntausende aus Protest gegen die Abkehr von der EU-Annäherung auf die Straßen gegangen. Zu den Demonstrationen hatte die inhaftierte Ex-Premierministerin und Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko aufgerufen, am gestrigen Montag trat sie aus Protest in den Hungerstreik. Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew harrten auch in der Nacht auf Dienstag wieder mehrere hundert Demonstranten aus. Der Protest ging damit in die fünfte Nacht, die Lage blieb jedoch ruhig, nachdem es am Vorabend zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen war.

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