Damit Burn-out kein Flächenbrand wird

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Gesundheitsvorsorge in Unternehmen umfasst auch die Reduzierung der Stressbelastung. Seminare und Lehrgänge helfen Führungskräften, Burn-outs und Krankenstände im Unternehmen zu vermeiden.

Ein Jahr lang ist sie bald in Kraft, die Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutz-Gesetz, die seit dem 1. Januar 2013 die verbindliche Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz vorschreibt – und die Unternehmen damit jenseits der Bereitstellung rückengerechter Schreibtischsessel in die Pflicht nimmt. Über die reine Vorschrift hinaus entwickeln immer mehr Arbeitgeber und Führungskräfte ein Bewusstsein dafür, dass es auch unternehmerisch sinnvoll ist, der wachsenden Zahl psychisch bedingter Krankheiten und den damit verbundenen Fehltagen aktiv etwas entgegenzusetzen. 73 Prozent der im Juli vom Hernstein-Institut befragten Topmanager in Österreich, Deutschland und der Schweiz räumen dem Thema „Gesundheit und Führung“ einen hohen Stellenwert ein, eine Haltung, die aber noch lange nicht in der Realität aller Unternehmen angekommen ist. In vielen Firmen gilt die heimliche Losung „Wer noch kein Burn-out hatte, hat sich auch nicht richtig angestrengt“ – mit den entsprechenden Folgen.

Stress als Statussymbol

„Der Gesundheitszustand der Corporate World erschreckt mich immer wieder“, sagt Wolfgang Regele, Geschäftsführer des Consultingunternehmens Redmont und Trainer am Hernstein-Institut. Auch Volker Sotzko, Unternehmensberater, Trainer und Geschäftsführer von Kick-off Management Consulting, weiß, dass es Unternehmen gibt, in denen das überhaupt kein Thema ist: „Da herrscht die Meinung, Stress gibt es bei uns nicht, hier gehört es zum guten Ton, bis Mitternacht und am Wochenende erreichbar zu sein“, so der Berater. „Da interessiert es auch keinen, wie die Mitarbeiter ausschauen.“

Und viele von ihnen schauen gar nicht gut aus: Die Zahl von Mitarbeitern und Führungskräften, die unter Symptomen wie Kopfweh, Depressionen und Magenproblemen leiden, steigt; der immer größer werdende Druck und die immer ausgedehntere Verfügbarkeit lassen immer mehr Manager unter Schlaflosigkeit leiden – deren Folgen dann am Morgen mit Aufputsch- und am Abend mit Schlafmitteln bekämpft werden, ehe möglicherweise eines Tages das berühmte Burn-out diesen Kreislauf unterbricht.

Führungskräfte, die aus diesem Teufelskreis rechtzeitig aussteigen möchten, finden mittlerweile in zahlreichen Lehrgängen und Trainings Anleitungen und Hilfestellungen zum „Gesunden Führen“, Grundbedingung für eine erfolgreiche Teilnahme ist aber immer, bei sich selbst anzufangen. Und dabei geht es nicht darum, in Wollsocken und bequemer Kleidung zu meditieren, zumindest nicht für jeden. „Es geht in erster Linie einmal darum, klarzumachen, was die Umstände sind, die zu Krankheiten führen“, erklärt Regele, „denn das ist nicht die Arbeitsbelastung.“

Ganz im Gegenteil, der Mensch sei sogar dafür gebaut, Leistung zu erbringen, so der Trainer. Und wenn ihm das gelingt und er zeitnah dafür eine Anerkennung erhält, ist das kein Stress, sondern ein Wohlgefühl. Der Körper schüttet dann den Botenstoff Dopamin aus, der Glücksgefühle hervorruft. Das Zaubermittel ist hier die zeitnahe Anerkennung: „Wenn 99 von 100 Punkten erledigt worden sind, eben nicht zu fragen ,und was ist mit dem hundertsten‘“, so Regele, „denn das ist es, was die Leute zermürbt, dieses ständige Gefühl, hintennach zu sein.“

Nichtstun nicht entspannend

Ein anderes Vorurteil, mit dem im Rahmen der Weiterbildungsmaßnahmen aufgeräumt wird, ist jenes, dass nur süßes Nichtstun zur Entspannung führe – das kann im Gegenteil für ehrgeizige, kompetitive Menschen Stress pur sein. Doch um Nichtstun geht es beim Entspannen nicht zwingend, es gibt auch durchaus aktives Entspannen. Durch Dinge wie Skifahren, Wandern oder eben Meditieren, aber das Muster ist immer das gleiche: „Es geht um etwas, das Freude macht, eine Herausforderung darstellt, Konzentration erfordert und spürbaren Erfolg bringt“, erklärt Regele. Und das können durchaus auch fünf Minuten im Büro sein, in denen Papierkugerln in den Mistkübel geschossen werden. Klingt einfach, aber für die Umsetzung so simpler Mittel braucht es ein Umdenken und eine Achtsamkeit, die in den Seminaren vermittelt werden soll.

Nicht aneinander vorbeireden

Ein anderes wichtiges Instrument zum gesunden Führen ist nach Sotzkos Erfahrung die Entwicklung der richtigen Sprache: „Viele Führungskräfte und Personalisten sehen, dass da etwas nicht stimmt, aber wissen nicht, warum ein Mitarbeiter plötzlich nicht mehr redet und suchen eine Sprache, um damit umgehen zu können“, erklärt er. Vor allem in Veränderungsprozessen ist das ein unverzichtbares Mittel – wenn beispielsweise die Mitarbeiter von Verlustängsten geplagt werden und unter einem akuten Stresssyndrom leiden, während der Vorgesetzte in Zahlen denkt, einen konkreten Ablaufplan abarbeitet und nicht versteht, woher plötzlich dieser Widerstand und die Aggressivität kommen.

Vermeiden lassen sich diese Situationen fraglos auch mit den besten Absichten und Ausbildungen nicht. Allerdings sollen die Absolventen in den Lehrgängen lernen zu erkennen, ob und in welchen Stresssituationen sich die Mitarbeiter befinden und dann konkret in der Lage sein, gezielt Maßnahmen zu setzen oder zumindest zu unterstützen, die Abhilfe schaffen. Und für sich selbst lernen, auch in den forderndsten Situationen kurz innehalten zu können um den Kopf wieder frei zu bekommen – vielleicht mit einem neuen Rekord in Sachen Papierkugerln im Mistkübel.

AUSBILDUNGEN

Weiterbildungsangebote zum Thema „Gesundes Führen“:

„Stressmanagement und Resilienz-Coaching“, Kick-off Management Consulting, vier Module, 3400 Euro, Start 27. Februar 2014, www.kick-off.at

„Gesund führen – Konsequenzen der Gesetzesnovelle für die Führung“, Hernstein-Institut, zwei Tage, 1500 Euro,

„Gesund Führen – eine Praxiseinführung“, ein Tag, 750 Euro,

www. hernstein.at

„Gesund führen“ ÖPWZ, zwei Tage, 995 Euro, www.opwz.com

Buchtipp: „Gesundes Führen: Life-Balance versus Burn-out“, von Mathias Lohmer, Bernd Sprenger, Schattauer Verlag Stuttgart, 34,99 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

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