Neues Buch

„Sisi hatte liebevolle Seiten“

„Wenn sie eines nicht war, dann Feministin“, sagt Katrin Unterreiner über Sisi.
„Wenn sie eines nicht war, dann Feministin“, sagt Katrin Unterreiner über Sisi.Katharina Stögmüller
  • Drucken

Kaum jemand kennt sich mit Sisi besser aus als Katrin Unterreiner. Nun deckt sie neue Facetten der Kaiserin auf. Und versöhnt sich ein wenig mit ihr.

Wie kommt man dazu, sich als Historikerin mit Sisi zu beschäftigen? „Sisi ist zu mir gekommen“, sagt Katrin Unterreiner. Als vor gut 20 Jahren beschlossen wurde, der legendären Kaiserin in der Hofburg ein Museum einzurichten, war Unterreiner wissenschaftliche Leiterin von Schloss Schönbrunn. „Und da hieß es dann: Das ist jetzt Ihr neues Projekt.“

Seitdem hat die Kaiserin sie nicht mehr losgelassen – obwohl oder gerade weil ihre Arbeit weit weg ist vom klassischen Sisi-Kitsch. „Mich hat von Anfang an interessiert, diese Diskrepanz zwischen der historischen Figur der Kaiserin Elisabeth und dem Mythos Sisi aufzuarbeiten.“ Das tat sie mit dem Museum, das im Jahr 2004 eröffnete – was zumindest anfangs nicht alle gut fanden. („Manche sagten: Seids ihr wahnsinnig, die Touristen kommen nach Wien, um Sisi zu sehen, und ihr konfrontiert sie mit dem Bild einer solch egomanischen Person!“) Und sie tat es gerade wieder, mit ihrem aktuellen Buch, in dem sie zahlreiche unbekannte Seiten der Kaiserin recherchiert hat, pünktlich zu deren 125. Todestag (siehe Faktenkasten). „Man glaubt immer: Das ist eh schon alles hundert Mal geschrieben worden. Aber wenn man sich an die Quellen begibt und versucht, den historischen Personen nahezukommen, und sich bemüht, sie von den Klischees und Legenden zu befreien, lernt man neue Persönlichkeiten kennen.“

„Ein perfektes Exit-Szenario“

Was Unterreiner da unter anderem herausgefunden hat – nachdem sie wochenlang Hunderte, Tausende Zettel umgedreht, sich durch kistenweise Material aus dem Staatsarchiv durchgearbeitet und Briefe, Rechnungen, Karten aus dem Besitz der Nachfahren durchforstet hat: Was die angeblich angeschlagene Kaiserin in den letzten Jahren für ein Luxusleben führte. Ein Sommeraufenthalt in Feldafing und Ischl 1885 kam auf mehr als drei Millionen Euro. „Man wusste, sie hat viel Geld ausgegeben. Aber als ich das durchgeackert hatte, war auch ich sprachlos“, sagt Unterreiner. „Elisabeth hat sich sehr gut als Opfer des Wiener Hofs inszeniert, und das war ein perfektes Exit-Szenario, um unbemerkt von der Öffentlichkeit ein sehr mondänes, luxuriöses Leben zu führen. Da war sie sehr geschickt. Weder sie noch der Hof haben das nach außen getragen, das wäre nicht sehr opportun gewesen, darüber zu reden, was die ach so leidende Kaiserin für ein lustiges Jetsetleben führte.“ 

Die jüngsten Filme über Sisi – von Marie Kreutzers „Corsage“ bis zu Serien auf Netflix und RTL – basieren dagegen eher auf Mythos und Legenden. „Vor allem die Serien haben, wenn Sie mich als Historikerin fragen, mit Elisabeth nichts zu tun“, sagt Unterreiner. „Aber ich sehe darin kein Problem, man verkauft das ja auch nicht als neue historische Wahrheit, sondern es ist Unterhaltung, und das ist ein Thema, das immer noch viele Leute fasziniert.“

Wobei auch der Ursprung dieser Faszination nicht unbedingt historische Wurzeln hat. „Man muss schlicht und einfach sagen, dass das auf einem Irrtum, einem Missverständnis beruht. Viele haben die junge Romy Schneider im Kopf und die Marischka-Geschichten. Und offensichtlich können sich bis heute viele Menschen damit identifizieren. Dass man in einer Situation gefangen ist oder eine Rolle zu spielen hat, die einem eigentlich gegen den Strich geht. Und dann gibt es eine historische Figur, die dagegen aufbegehrt und als Rebellin für ihre Freiheit gekämpft hat.“

Genau das – der Kampf um die Freiheit – wird freilich mitunter falsch ausgelegt. „Da wird Elisabeth immer wieder in ein falsches Eck gestellt“, sagt Unterreiner. „Wenn sie eines nicht war, dann Feministin. Sie hat allein darum gekämpft, ihr Leben nach ihren Vorstellungen führen zu können – aber sie hat das nicht zu einem gesellschaftspolitischen Thema gemacht, im Gegenteil. Es ging ihr nicht darum, Vorreiterin zu sein. Auch in der eigenen Familie: Sie hat sich alle Freiheiten herausgenommen – aber alle anderen sollten ihre Rolle spielen.“ Als ihre Schwester Sophie sich von ihrem Mann scheiden lassen wollte, hielt sich Sisi demnach nicht einmal aus der Sache heraus – sondern ergriff offen Partei gegen sie.

Unterreiner hat sich im Zuge ihrer jüngsten Recherchen allerdings auch ein bisschen mit der Kaiserin versöhnt. „Ich musste mich in meiner Auseinandersetzung ja immer wieder wundern über die unglaubliche Egozentrik und Egomanie dieser Person“, sagt sie. Auch zu (ihren) Kindern habe die Kaiserin ein gestörtes Verhältnis gehabt. Unterreiner entdeckte zuletzt aber auch anderes: Ihrer Enkelin Ella habe Sisi als „Omama“ ganz entzückende, innige Briefchen geschrieben. „Das ist wieder ein neues Bild, das bis jetzt noch nicht so präsent war: Es gibt auch sehr herzliche, liebevolle Seiten in ihr.“ 

Auf einen Blick

Katrin Unterreiner (* 1969 in Graz) ist Historikerin, sie war wissenschaftliche Leiterin von Schloss Schönbrunn und kuratierte das Sisi-Museum. Sie hat zahlreiche Bücher über Sisi und andere Figuren aus der Familie der Habsburger geschrieben, neu: „Sisi: Das geheime Leben der Kaiserin“ (Ueberreuter Verlag).

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.