Leidgeprüft in Ambulanzen und mit Hansi Hinterseer bei der Post

Ob Gesundheitswesen oder Dienstleistungsunternehmen: Die Bedürfnisse von Patienten und Kunden werden leider viel zu häufig ignoriert.

Manch (pensionierter) Journalist mag zwar über zu viele Feiertage in Österreich raunzen. Aber Millionen Österreicher haben die nun zu Ende gegangenen Weihnachtsfeiertage sinnvollerweise zum Ausspannen genützt. Wer das Pech hatte, etwa jetzt am langen Wochenende krank zu werden, suchte meist mangels geöffneter Ordinationen eine Spitalsambulanz auf. Nerven brauchte auch, wer auf die Dienste der Post(-Partner) angewiesen war und am schönsten Vormittag vor verschlossenen Dienstleistertüren stand. Da wie dort stellt sich die Erkenntnis ein: Bedürfnisse von Patienten und Postkunden sind zweitrangig, Wartezeiten und unfreiwillige Bewegungstherapie werden gezwungenermaßen in Kauf genommen.

Wie das zum richtigen Befund von Hausärzte-Sprecher Geppert passt, wonach Patienten auf dem Weg zu Ambulanzen an Ordinationen niedergelassener Ärzte vorbeifahren? Sehr gut. Der Punkt ist nämlich, warum zu viele Patienten in Ballungsgebieten direkt ins Spital fahren. Außerhalb der Städte sind offene Ordinationen leichter zu finden. Den Maroden, der mit 38,5Grad Fieber statt eines Besuchs beim Arzt im Wochenenddienst und eines aus der Hausapotheke verschriebenen Medikaments in einer Landgemeinde lieber 20 oder 40 Kilometer ins nächste Spital fährt, den schau ich mir an. Mit einem kränkelnden Kind ist der Weg in die Ambulanz hingegen oft sinnvoller als jener zum Arzt, der Patienten oder Eltern zur Abklärung erst recht ins Spital schickt.


Geppert und die Hausärzte haben in einem recht: Patienten tragen selbst zu Wartezeiten in Ambulanzen bei, weil leider zu viele Bürger mit jedem Wehwehchen ins Spital rennen. Die Versicherten, die Krankenkassenbeiträge zahlen, dürfen dafür noch brennen. Weil ja Gesundheitsleistungen angeblich gratis sind.

Klar geht es ums Jammern auf hohem Niveau. Das heimische Gesundheitswesen ist dank hoher finanzieller Mittel im internationalen Vergleich vorbildlich. Das ist der Grund für die grundsätzliche Zufriedenheit der Bevölkerung. Das ist aber auch der Grund, warum sich Patienten, Krankenversicherte, niedergelassene Ärzte wie auch Spitalsbedienstete ein System, das effizienter und damit sparsamer sein könnte, auf ihre Kosten gefallen lassen. Solange sich die Menschen und das Krankenhauspersonal eine Behandlung unter solchen Bedingungen ebenso gefallen lassen wie Hausärzte eine zu niedrige Abgeltung von Beratungsgesprächen mit Patienten, werden sich Sozialversicherungsbosse und Gesundheitspolitiker kaum anstrengen, etwas zu ändern.


Gleiches gilt grundsätzlich für die Post und deren Kunden. Ein Post-Partner, der geruht, seine Geschäftsstelle, die einzige im Umkreis, an einem Wochentag erst um 9.30 Uhr aufzusperren, sollte boykottiert werden, bis er seinen Laden zwangsweise sperren muss. Es ist zwar gut, dass im neuen Jahrtausend beim Postmanagement und bei einem beachtlichen Anteil der Mitarbeiter statt der früheren Amtsmentalität marktwirtschaftliches Denken im teilstaatlichen Unternehmen Einzug gehalten hat. Aber letztlich unwirtschaftliches Handeln, das zu kurzsichtig auf Profit und Aktionäre zielt, geht schief.

Wer billigeres Personal als bisher anheuert, das unwirsch Menschen vergrault und somit Kunden vertreibt, stellt sich wirtschaftlich betrachtet selbst ein Bein. Ein Briefträger, der sich früher nach getaner Arbeit zu einem kurzen Plausch niedergesetzt hat, ist mir persönlich jedenfalls lieber als ein noch so fleißiger, der wegen seines großen Rayons die Post erst am Nachmittag zustellen kann. Das Problem sind aber nicht gut dotierte Post-Spitzenmanager, die bei Misserfolg gefeuert werden können, sondern (zu) viele Blender drei, vier Etagen darunter, die zwar Businessfachchinesisch beherrschen, aber wenig Ahnung von Bedürfnissen des Zielpublikums haben. Aber solange sich Kunden geduldig in Schlangen in Postenämtern anstellen, weil das Personal auch über eine Hansi-Hinterseer-CD beraten muss (nichts gegen den Volksmusiker und dessen Fans), wird sich nichts ändern. Wie Wähler in einer Demokratie müssen Patienten und Kunden ihre Wünsche selbst vorbringen und durchsetzen.

E-Mails an:karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2014)

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