Baustoffe: Es geht um viel Schotter

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Die Stahlindustrie zittert: Ihrem Nebenprodukt Schlacke soll im Straßenbau der Garaus gemacht werden. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie in Österreich Politik gemacht wird: Die Schotterbranche hat die stärkere Lobby.

Der Umweltdachverband ist üblicherweise keine Organisation, die groß für Schlagzeilen sorgt. Was wohl in der Natur der Sache liegt. Der im Jahre 1973 gegründete Verband hat es sich zum Ziel gemacht, „Ökologie-Themen in der Öffentlichkeit zu verankern“ – so steht es zumindest auf seiner Homepage. Und das ist, wie man weiß, hierzulande ein einigermaßen undankbares Thema. Zuletzt hat der Umweltdachverband dem neuen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter eine Blumenwiesen-Petition überreicht. Das mediale Echo darob war überschaubar.

Doch jetzt hat sich das Blatt gewendet. Was daran liegt, dass die Voestalpine beim Handelsgericht Wien Klage gegen den Umweltdachverband eingebracht hat. Gegen Verbandspräsidenten Gerhard Heilingbrunner auch. Warum? Weil Heilingbrunner seit Jahr und Tag behauptet, dass sogenannte LD-Schlacke – ein Nebenprodukt aus der Stahlerzeugung – dank Schwermetallbelastung umwelt- und gesundheitsschädlich sei. „Uns ist daraus ein großer materieller Schaden entstanden“, sagt Voest-Sprecher Peter Felsbach. „Die Kunden waren verunsichert, es ist weniger Schlacke bestellt worden.“ Das genaue Ausmaß des Schadens? Man orientiere sich am Streitwert – immerhin fünf Millionen Euro.

Woran sich unschwer erkennen lässt: Das Geschäft mit der Schlacke ist ein äußerst lukratives – sofern es keine Querschüsse gibt. Das Nebenprodukt wird seit rund 60 Jahren im österreichischen Straßenbau eingesetzt. Gut für die Straßenbauer: Schlacke ist sehr griffig und gegen Abrieb höchst beständig. Gut für die Stahlerzeuger: Bei der Voestalpine fallen jährlich bis zu 800.000 Tonnen Schlacke an, bei der steirischen Marienhütte sind es bis zu 70.000.

Kein Wunder, dass bei den Stahlproduzenten die Nerven blank liegen. Denn plötzlich wackelt das schöne Geschäft gewaltig. Daran ist nicht ausschließlich der Umweltdachverband schuld – aber er hat sein Scherflein zur Stimmungsmache beigetragen. Jedenfalls liegt im Lebensministerium ein Entwurf zu einer Verordnung bereit, der es in sich hat. Demnach soll der Einsatz von Schlacke im Straßenbau auf ein Minimum reduziert werden. Schlacke vom Voest-Werk Donawitz beziehungsweise von der Marienhütte könnte laut der Verordnung überhaupt nicht mehr eingesetzt werden.

Der zuständige Sektionschef im Ministerium, Christian Holzer, spricht von einer Entscheidung „im Sinne des Umweltschutzes“. Das Ministerium habe jedenfalls schon seit Jahren „kein Hehl daraus gemacht, dass wir Schlacke nicht als Nebenprodukt, sondern als Abfall sehen“. Womit freilich neben dem Entfall einer Geschäftsgrundlage für die betroffenen Stahlerzeuger auch noch ausufernde Beiträge gemäß Altlastensanierungsgesetz zu entrichten wären.

Das sind ein bisschen zu viel schlechte Nachrichten auf einmal. Dementsprechend empört ist Marienhütte-Chef Markus Ritter: „Das ist für uns massiv existenzgefährdend“, sagt er. Die Voestalpine möchte sich zu der Verordnung vorsichtshalber nicht äußern – dafür findet Jochen Pildner-Steinburg, Präsident der steirischen Industriellenvereinigung, scharfe Worte: „Die Verordnung ist ein echtes Bedrohungsszenario für die steirischen Standorte Donawitz und Marienhütte.“ Es gehe um insgesamt rund 5000 Arbeitsplätze.

Vor allem aber geht es auch um folgende Frage: Wie kommt es, dass ein Produkt, das jahrzehntelang als unbedenklich im Straßenbau galt, mit einem Mal so verteufelt wird?

Dazu gibt es nur Spekulationen. Pildner-Steinburg meint, dass es in der Angelegenheit „in erster Linie um Lobbyismus geht“. Und: „Ich habe bei Diskussionen über den Einsatz von Schlacke immer schon gemerkt, dass Politik dabei eine große Rolle spielt.“

Qui bono? Auch hier – bloß Vermutungen. Gerne weisen Betroffene jedenfalls darauf hin, dass die Schotterwirtschaft ein massives Interesse an der Verdrängung des Konkurrenten Schlacke hat. Die Zeiten sind bekanntlich hart, und da muss man schon schauen, dass man über die Runden kommt.

Im Fachverband Stein- und keramische Industrie, der bei der Verordnung kräftig mitgemischt hat, ist jedenfalls Baustoffunternehmer Manfred Asamer Obmann. In Asamers Unternehmen sitzt wiederum niemand Geringerer als Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im Aufsichtsrat. Nicht gerade ein machtloser Mann.

Auch nicht zu vernachlässigen: Die frühere ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter kommt ebenfalls aus der Schotterwirtschaft. Und: Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hat sich bereits Anfang vergangenen Jahres für ein Schlacke-Verbot in seinem Bundesland ausgesprochen. Ein Schelm, wer da an die zahlreichen Schotterunternehmen in Niederösterreich denkt.

Resümee: Die Schotterbranche hat zahlreiche politische Proponenten und Fürsprecher. Die Stahlindustrie hat dem nichts entgegenzusetzen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich alle Schlacke-Gegner auf den Umweltdachverband beziehen. Dessen Präsident Heilingbrunner wird ja nicht müde, die Umwelt- und Gesundheitsgefährdung von Schlacke anzuprangern. Nur: Auf fundierte Studien kann er sich nicht berufen. „Seine Äußerungen entsprechen schlicht nicht der Wahrheit“, poltert Marienhütte-Anwalt Martin Eisenberger. Heilingbrunner war für eine Stellungnahme leider nicht zu erreichen – er weilt auf Urlaub.

Erreichbar war hingegen Herwig Schuster von der Umweltorganisation Greenpeace. Und der hat durchaus Erstaunliches zu berichten: Vor einem halben Jahr hat nämlich das Umweltbundesamt eine Untersuchung über mögliche ökologische Probleme durch den Einsatz von Schlacke im Straßenbau gemacht – alles unter dem wachsamen Auge von Greenpeace. Die Conclusio der Untersuchung: „Der Einsatz von LD-Schlacke im Straßenbau ist ökologisch durchaus vertretbar“, sagt Schuster. Mehr noch: „Schlacke ist sogar ökologisch sinnvoller als Gestein und Schotter, weil deren Abbau die Umwelt belastet.“ Welche Schlüsse zieht der Umweltexperte aus der gegenwärtigen Verteufelung von Schlacke? „Die Schotterwirtschaft hat sich in der Diskussion schon sehr massiv eingesetzt“, so die reichlich euphemistische Antwort.

Am 21. Jänner findet im Ministerium eine weitere Diskussion zu dem Thema statt. Oder wie auch immer man solche Gesprächsrunden nennen möchte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

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