Nicht genug Allergiespezialisten

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Die Zahl der Menschen mit Allergien wächst, die der Experten mit einschlägigem Wissen kaum. Denn in Österreich gibt es keine Facharztausbildung. Wie man dennoch weiterlernen kann.

Die hohen Temperaturen dieser Tage haben für manche Menschen unangenehme, für Jänner ganz untypische Nebenwirkungen: Pollen in der Luft, da sich manche Pflanzen schon im Frühling wähnen. Doch auch ohne jahreszeitliche Ausrutscher gewinnt das Thema immer größere Bedeutung: In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Allergiker weltweit verdoppelt.

Auch in Österreich wächst die Gruppe kontinuierlich, rund zwei Millionen Menschen leiden laut dem ersten österreichischen Allergiebericht aus dem Jahr 2010 an einer allergischen Erkrankung, Tendenz weiter steigend. Ein Fachbereich, der eigentlich als sichere Zukunft für Ärzte gelten könnte, die sich auf die Behandlung dieser neuen Volkskrankheit spezialisieren wollen, allein: Es gibt ihn nicht.

Keine eigene Fachrichtung

Eine selbstständige Facharztausbildung für Allergologen ist in Österreich nicht vorhanden, die Betreuung von Allergien ist zwischen den Kinderärzten, HNO-Spezialisten, Lungenfachärzten und Dermatologen aufgeteilt.

Jede dieser Facharztrichtungen unterhält zwar Allergieambulanzen, in denen die Mediziner im Rahmen ihrer jeweiligen Facharztausbildung ein Basiswissen erwerben können, aber der Bedarf an Spezialisten wächst laut Gunter Sturm, Professor an der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie der Med-Uni Graz und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Allergologie: „Wir bekommen kaum mehr Nachwuchs“, bedauert der Mediziner, „es gibt immer mehr Allergiker und immer weniger Spezialisten.“ Vor allem bei komplexeren Themen wie Insektengiftallergien gebe es mittlerweile eine massive Unterversorgung.

Neues Konzept

Eine Situation, die auch für Stefan Wöhrl, Privatdozent am Floridsdorfer Allergiezentrum, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Allergologie und Österreich-Abgeordneter der World Allergy Organization, dringend einer Änderung bedarf: „Die Situation der Allergologie unterscheidet sich von allen anderen Fächern, weil sie in Österreich nicht als eigenes Querschnittsfach anerkannt ist. Damit gibt es auch keine Abteilungen, etwa Professuren für Allergologie. Ganz Europa wundert sich über diese Sondersituation und sie entspricht nicht europäischen Standards“, so der Dermatologe.

Ideal wäre aus Sicht der beiden Experten natürlich langfristig eine eigene Facharztausbildung für die Allergologie; ein Ziel, das aber bestenfalls in weiter Ferne liegt. Als realistischer erachten Sturm und Wöhrl dagegen die Umsetzung einer Spezialisierung, deren Konzept Wöhrl bereits 2010 gemeinsam mit Kollegen ausgearbeitet und bei der Bundesärztekammer eingereicht hat. Dort liegt der Antrag aber derzeit auf Eis, wie Peter Niedermoser, stellvertretender Vorsitzender des Bildungsausschusses der Österreichischen Ärztekammer, auf Anfrage der „Presse“ bestätigt. Momentan sei man vorrangig damit beschäftigt, die allgemeine Ausbildungssystematik auf neue Beine zu stellen und neue Curricula zu entwickeln. Ein Prozess, der laut Niedermoser bis Ende 2014, Anfang 2015 abgeschlossen sein werde, erst danach soll in einem Diskussionsprozess erarbeitet werden, welche Zusatzfächer notwendig seien.

Weiter lernen in Eigenregie

Was also tun, um das Fachwissen bis dahin in Eigeninitiative zu vertiefen? „Es gibt auf nationaler und internationaler Ebene zahlreiche Kongresse, Summer Schools, Arbeitsgruppen und Mentorenprogramme“, verweist Sturm auf die Möglichkeiten außerhalb der klassischen Ausbildungswege. Auf den Webseiten von Organisationen wie der EACCI, der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (www.eacci.org) oder der Arbeitsgruppe Allergologie der österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (www.allergologie.at) finden sich unzählige Fortbildungsangebote für die unterschiedlichsten Bereiche. Die Gefahr, dabei unnötiges Wissen anzuhäufen, dürfte bei der gegenwärtigen Nachfrage kaum gegeben sein. (sma)

LINKS UND SYMPOSIUM

Symposium:„What's new in Allergy?“ lautet das Motto des Wörthersee-Symposiums der Arbeitsgruppe Allergologie und der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie vom 19. bis 21. Juni 2014.

Weiterbildung: Informationen und zahlreiche Angebote finden sich bei Organisationen wie der European Academy of Allergy and Clinical Immunology oder der Arbeitsgruppe Allergologie in Österreich.

Web:www.eacci.orgwww.allergologie.at

www.oegdv.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

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