Der Aktionsradius radikaler Islamisten

Syrien ist derzeit der Hauptanziehungspunkt von Jihadisten, während in Somalia die al-Shabaab-Milizen stetig an Einfluss verloren haben.

Kaum einer hätte es gedacht, dass der Arabische Frühling eine Renaissance von al-Qaida und anderen islamistischen Extremistengruppen mit sich bringen würde. „Wir sind die wahren Sieger der arabischen Revolutionen und überall präsent“, sagte Omar Bakri, ein aus Syrien stammender Kleriker, der aus seiner Bewunderung für Osama bin Laden keinen Hehl macht.

Die radikalen Islamisten nutzten das Machtvakuum aus, das mit dem Ende der autoritären arabischen Regime entstand. In Libyen ist Derna logistisches Zentrum und Anlaufstelle für Kämpfer aus ganz Nordafrika. Im Süden des Landes liegen ebenfalls Trainingslager. Aus dieser Gegend soll ein al-Qaida-Kommando zur Gasanlage von In Aménas in Algerien gekommen sein. Bei dem Anschlag im Januar 2013 wurden 67 Menschen getötet. Nach der französischen Intervention in Mali haben die Extremisten eines ihrer Rückzugsgebiete verloren. Im Grenzgebiet von Libyen, Mali, Algerien und Tunesien können sie sich jedoch immer nahezu unbehelligt bewegen.

Syrien ist zurzeit der Hauptanziehungspunkt von Jihadisten aus aller Welt. Im Bürgerkrieg können al-Qaida-nahe Gruppen ungestört Strukturen aufbauen und Waffenlager anlegen. Seit einem Monaten bekämpfen sich zwar islamistische Milizen, aber der „Islamische Staat im Irak und der Levante“ (Isil) hat nach wie vor die Provinzhauptstadt Raqqa und die Region bis zum Irak in der Hand. Er kontrolliert zudem weite Teile der irakischen Provinz Anbar und hat die Stadt Fallujah besetzt. Es ist das erste Mal, dass Extremisten auf so großen Flächen über zwei Ländergrenzen hinweg das Sagen haben. Das ist auch mit Pakistan, Afghanistan und dem Jemen nicht zu vergleichen. In diesen Ländern sind die Radikalen in manchen Regionen sehr stark präsent, aber sie übernehmen keine Staatsfunktionen, stellen keine Polizei und organisieren nicht die Lebensmittel-, Elektrizität- und Wasserversorgung der Bevölkerung.

Die Jihadisten, die bis al-Andalus in Spanien alles zurückerobern wollen, sind in Pakistan, Afghanistan und dem Jemen gezwungen, klandestin zu arbeiten. Jederzeit können sie von US-Drohnen bombardiert oder von der Armee verhaftet werden. In Syrien ist das ganz anders. Isil und der zweite al-Qaida-Ableger, Jabhat al-Nusra, versuchen die islamistische Staatsbildung. Sie sind Richter, Ordnungshüter und Revolutionäre zugleich, die die Grundbedürfnisse der Bevölkerung sichern. Ein wichtiger Grund, warum so viele Islamisten aus dem Ausland begeistert nach Syrien reisen.

Neben diesen Ländern bleibt Somalia, wo die al-Shabaab-Milizen gegen die Regierung kämpfen. Vor Jahren kontrollierten sie große Teile des Landes, aber ihr Einflussbereich ist stetig geschrumpft. Noch immer soll es dort Trainingscamps geben. Aber so offen wie früher können sie nicht mehr agieren. Es drohen Drohnenangriffe und Bodeneinsätze von Spezialkommandos der US-Armee. ps

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2014)

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