Australian Open: Wawrinka fordert Herrscher Nadal

Stanislas Wawrinka
Stanislas WawrinkaAPA/EPA/DAVID CROSLING
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Stanislas Wawrinka geht als krasser Außenseiter in sein erstes Grand-Slam-Finale. Gegen Nadal konnte er noch keinen Satz gewinnen.

So viel Ruhe abseits des Centre Courts hat Stanislas Wawrinka noch nie erlebt, so viel Beschaulichkeit wie jetzt in Melbourne. Die gewohnte hektische Betriebsamkeit in den Umkleidekabinen des National Tennis Center ist längst einer gespannten Ruhe gewichen, und auch im Spielerhotel laufen kaum noch Herbergsgäste in kurzen Sporthosen durch die Hallen und Flure. 126 Einzelspieler haben die Metropole am Yarra River verlassen, viele Namenlose und Mitläufer des großen Tourzirkus, aber auch Top-Asse wie Novak Djokovic, Andy Murray oder Roger Federer. Nur er, der Finaldebütant aus der Schweiz, ist noch da. Und ein gewisser Rafael Nadal, die Nummer eins der Welt. Wawrinkas scheinbar übermächtiger Rivale um den ersten großen Pott der Saison - bei den Australian Open 2014. „Ganz ungewohnt" sei die Atmosphäre, sagt Wawrinka, „manchmal wirkt es fast so, als sei das Turnier schon vorbei."

Das aber ist es ganz und gar nicht. Denn der Höhepunkt, die Krönungsmesse folgt erst noch. Am Sonntagabend in Melbourne, am Sonntagmorgen daheim in der Schweiz und in Spanien. Und die Nervosität steigt ganz langsam und ganz sicher, und das ist auch gut so, findet Wawrinka. „Wenn da kein Kribbeln wäre, kein bisschen Lampenfieber, das wäre ja unnormal", sagt der 28-Jährige Endspiel-Neuling bei einem der vier „Major"-Turniere, „dann fehlten einem die Emotionen, der Kitzel." Wawrinka hat sowieso alles und eben auch nichts zu verlieren - paradox, aber wahr. Gegen den „Kannibalen des Centre Court" (L´Equipe), diesen unheimlich kampfeswütigen Nadal, ist er nur der klare Außenseiter, der von allem Druck befreit aufspielen kann. Aber andererseits: Wer weiß schon, wann sich noch einmal eine Grand-Slam-Titelchance bietet, hier in Australien oder anderswo. „Ich muss und ich will sehr aggressiv spielen. Sonst habe ich überhaupt keine Chance", sagt der Waadtländer, der sich am Montag in der Weltrangliste in jedem Fall auf Platz fünf wiederfinden wird - und damit auch vor der ewigen Schweiz- und Weltnummer eins, Roger Federer. Gewinnt Wawrinka gar den Showdown gegen den mallorquinischen Kraftprotz, würde er als frischgebackene Nummer drei auch die Gesamtarchitektur der Tennismacht verändern, als Einbrecher in die Phalanx der alten Spitzenkräfte, einmal Fab Four genannt, die Fabelhaften Vier.

Die größte Prüfung seines Lebens

Doch davon ist Wawrinka zwar nur einen Sieg, aber auch ein Finale gegen den robustesten Wettkämpfer der Tour entfernt. Jenem Rivalen Nadal, dem er in zwölf zurückliegenden Spielen keinen einzigen Satz abluchsen konnte. „Die Vergangenheit zählt nicht für mich", sagt Wawrinka, „im Finale beginnen wir beide bei null." Wawrinka kann da ja auch mit gutem Grund auf die Gemengelage mit Novak Djokovic verweisen, gegen den er 14 Mal hintereinander verloren hatte - bevor er den „Djoker" im Australian-Open-Viertelfinale am Dienstag in fünf Sätzen abservierte. „Nie aufzugeben, immer an meine Chance zu glauben, das ist ein Teil von mir geworden", sagt Wawrinka, „das gehört zu meinem Charakter." Was er auf jeden Fall zeigen will, ist seine gewachsene Reife in diesen ganz großen Duellen, die Matchhärte, die Nervenstärke, die Aggressivität im Spiel - also all das, was ihn in den letzten Monaten auch zu einem in der Weltspitze gleichberechtigten Titelaspiranten aufsteigen ließ. Zu einem Rivalen, den auch Nadal mit höchstem Respekt sieht: „Stan hat sich toll entwickelt. Ich stelle mich auf einen ganz, ganz harten Kampf ein."

Wawrinka geht jedenfalls gut ausgeruht und optimal fit in die größte Prüfung seines Lebens. Knapp 72 Stunden Verschnaufpause zwischen Halbfinale und Endspiel haben ihm gut getan und ihn auch nicht aus dem gewohnten Rhythmus gebracht. Am Freitag machte Wawrinka sogar einen touristischen Abstecher herüber in die Nicholson Street, ins Melbourne Museum und zur populären Ausstellung „50 Jahre Bond Style" - dem Tribut an den bekanntesten Schein-Geheimagenten Ihrer Majestät. Ein großer „Fan von Bond" sei er halt, „besonders von Pierce Brosnan", lächelte Wawrinka, der sich auch vor einem der formidablen Bond-Flitzer fotografierte. Diskret wird es aber nicht zugehen für ihn selbst, für die Nummer 08 der Weltrangliste in seiner Herkules-Mission gegen den freundlichen, unerbittlichen Tennisherrscher Nadal. Rund um den Erdball wird man sehen können, wie er, „Stan, the Man", sich schlägt gegen Nadal - und gegen alle Erwartung einer Niederlage.

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