Märkte fürchten argentinischen Virus

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Argentinien leidet unter dem stärksten Verfall des Peso seit zehn Jahren. Die Gründe dafür sind hausgemacht, dennoch steigt die Sorge vor dem Übergreifen auf andere Schwellenländer.

Wien. Werden die Geschäfte am Montag überhaupt aufmachen? Das war die bange Frage, die sich die Einwohner der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires am Sonntag stellten. Denn viele Geschäftsleute montierten am Wochenende bereits die Preisschilder von ihren Regalen ab, bevor sie diese vielfach überhaupt zusperrten. Der Grund dafür: Angesichts der hohen Inflation und des jüngsten Peso-Absturzes weiß niemand, wie sich die Lage weiter entwickeln wird. In einem solchen Umfeld sei es extrem schwer, Preise zu kalkulieren. Viele Ladenbesitzer entscheiden sich daher dazu, erst einmal abzuwarten.

Es sind Zustände, die frappant an frühere Zeiten in Buenos Aires erinnern. Zeiten der Staatspleite von 2001/02, von denen die Argentinier gehofft hatten, dass sie überwunden seien. Doch am vergangenen Donnerstag wurde das Land von seiner Vergangenheit eingeholt. Um zwölf Prozent gab der argentinische Peso an diesem Tag nach – der größte Tagesverlust seit der einstigen Pleite.

Falsche Wirtschaftspolitik

Die Gründe für die Probleme Argentiniens sind mannigfaltig – und zu einem großen Teil hausgemacht. So versuchte der damalige Präsident Nestor Kirchner, der verstorbene Ehemann der jetzigen Präsidentin Christina Kirchner, die im Jahr 2005 erstmals auf über zehn Prozent angestiegene Inflation mittels Exportbeschränkungen für Agrarprodukte zu verringern. Fleisch und Brot sollten so im Inland wieder billiger werden. Die Folge: Die argentinischen Landwirte änderten ihre Produktion, der ehemalige Nahrungsmittelexporteur wurde zum Importeur.

Hinzu kam eine drastische Kapitalflucht, die den Peso schwächte. Und auch für dieses Problem gab es – inzwischen unter Präsidentin Kirchner – nur eine Lösung aus der ökonomischen Mottenkiste: Devisenkontrollen. Diese führten zwar offiziell weitgehend zu den gewünschten Ergebnissen, inoffiziell aber zu einem Schwarzmarkt-Parallelsystem mit galoppierender Inflation von zuletzt fast 30 Prozent. Nun scheint es, als ob die Regierung kapitulieren muss, ab Montag sollen die Devisenkontrollen aufgehoben werden.

Was das für die Situation Argentiniens bedeutet, ist völlig offen. Entscheidender ist aber noch, wie stark die jeweiligen Auswirkungen auf andere Schwellenländer sind. Denn obwohl Argentinien einen ökonomischen Sonderfall darstellt, löste der Peso-Verfall am Ende der Vorwoche Schockwellen in den Märkten rund um den Erdball aus. Auf den Devisenmärkten gerieten neben dem Peso vor allem die Währungen der sogenannten „Fragile Five“ unter Druck – zu diesen gehören Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei.

Sorge um Brasilien

Vor allem auf den argentinischen Nachbarn Brasilien wird an den Märkten ein Übergreifen der Währungskrise befürchtet. Nicht zuletzt deshalb bemühte sich die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff beim am Wochenende zu Ende gegangenen Weltwirtschaftsforum in Davos, gute Stimmung für ihr Land zu machen: Es gebe keinen Grund, am Aufschwung Brasiliens zu zweifeln, so Rousseff in ihrer Ansprache vor den Vertretern anderer Staaten sowie Managern internationaler Konzerne.

Doch auch in Davos wurden bereits kritische Stimmen zu den Schwellenländern laut. Diese müssten Reformen ihrer Volkswirtschaften schneller umsetzen und könnten sich nicht mehr auf stetig hohe Wachstumszahlen verlassen, so IWF-Chefin Christine Lagarde. Durch das langsame Wiedererstarken der Industrienationen würde der Wettbewerbsdruck auf diese Länder zunehmen.

Denn auch wenn jedes Schwellenland andere Voraussetzungen hat, kann der Eindruck eines Absturzes dieser Länder an den Märkten schnell zu Panikreaktionen führen, meinen Ökonomen. So wie es einst in der Euro-Krise geschehen ist, wo die Probleme von Irland und Griechenland – so unterschiedlich sie waren – auch in einen Topf geworfen wurden. (jaz/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2014)

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