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Grammy Awards: Fünf Preise für die Retro-Disco

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Bei der 56. Verleihung der US-Musikpreise waren die französischen Daft Punk große Gewinner. Im Saal wurde geseufzt, getanzt, geschluchzt und 33-mal geheiratet.

Dieser Abend in Los Angeles schafft alle Jahre wieder das gleiche Wunder: Musiker, die einander im Alltag oft unerbittliche Fressfeinde sind, stürzen sich in einen Taumel der Harmonie. Da krachen alle zwischen den Genres aufgezogene Mauern effektvoll zusammen. Das sorgte auch heuer für lustige Bilder. Etwa, als die frisch renovierten Mannen von Black Sabbath selig lächelnd die Quengeleien der erst 17-jährigen Neuseeländerin Lorde (zwei Grammys) goutierten oder als Bubble-Gum-Pop-Queen Katie Perry eckig zum Dirty-R&B von Beyoncé tanzte.



Die Organisatoren der heurigen Gala zeigten überhaupt Ehrgeiz auf dem Gebiet der seltsamen Paarung. So musizierten die fast vergessenen Big-Band-Popper Chicago mit dem Blue-Eyed-Souler Robin Thicke; und die angejahrten Country-Outlaws Willie Nelson, Kris Kristofferson und Merle Haggard zeigten gemeinsam, dass sich das oft als hinterwäldlerisch abgetane Genre auch mit fortschrittlichen Themen wie Marihuana-Legalisierung befasst. Die kurioseste Performer-Paarung war aber zweifelsohne Metallica und Lang Lang: Im ausufernd zelebrierten „One“ zeigte sich, dass brachiale Rockmusik und pathostriefende Klassik mit erstaunlich ähnlicher Wucht Lebensängste beschwichtigen wollen.

Ex-Nirvana-Schlagzeuger Dave Grohl und Paul McCartney waren ein ebenfalls merkwürdiges Duo: Ihr dröhnendes „Cut Me Some Slack“ ließ ahnen, dass im harmoniesüchtigen Softbeatle noch immer ein Rock'n'Roller wohnt. Diese Enthüllung wurde prompt mit einem Grammy für den besten Rocksong belohnt. Einen weiteren Preis heimste McCartney in der Kategorie Lifetime Achievement Award ein, der nun, spät, aber doch, den Beatles zuerkannt wurde. Moderatorin Julia Roberts bezeichnete die durch die Beatles ausgelöste „British invasion“ als „the night that changed America“. Dankbar stimmte McCartney „Queenie Eye“ an, Juwel seines aktuellen, recht frisch klingenden Albums „New“. Ringo Starr trommelte fleißig mit.

Kraftwerk: Grammy ohne Roboter

Weitere Würdigungen für das Lebenswerk erhielten Kris Kristofferson, The Isley Brothers und Kraftwerk. Diese Ehrengrammys werden in einer speziellen Zeremonie bereits am Vortag der eigentlichen Verleihung übergeben. Dafür machte der sonst so kamerascheue Ralf Hütter eine Ausnahme: Er holte sich die Auszeichnung tatsächlich persönlich ab. Sein Roboter-Avatar blieb in der Garage.

Als konsequente Maschinenmenschen sprangen Thomas Bangalter und Guy Manuel De Homem-Christo, besser bekannt als Daft Punk, ein. Nicht weniger als fünf Grammys bekamen diese Franzosen für ihr Album „Random Access Memories“, eine leidenschaftliche Hommage an das Phänomen Disco. Da ihre Sicht stark durch die schicken Helmvisiere getrübt war, wurden sie vom Saalschutz auf die Bühne geführt. Das sah nicht gerade cool aus. Was sich dann live zutrug, war dann umso bestechender: Gemeinsam mit dem legendären Chic-Gitarristen Nile Rodgers und Soul-Superstar Stevie Wonder zelebrierten sie eine epische Version des Welthits „Get Lucky“. Dabei arbeiteten sie behutsam auch Melodien von Nile Rodgers („Freak out“) und Stevie Wonder („Another Star“) ein. Selbst Sir Paul McCartney wurde da zum groovenden Fan und stach mit der Faust eifrig in die Luft. Es war auch der große Abend des Pharrell Williams. Der schlaksige Afroamerikaner sang nicht nur mit gewohnt piepsiger Stimme bei „Get Lucky“ mit, sondern heimste auch den Preis für den „Produzenten des Jahres“ ein.



Für viel Aufmerksamkeit sorgte das blitzweiße Rap-Duo Macklemore & Ryan Lewis, das trotz sperrigen Namens zwei Grammys ergattern konnte. Zu ihrem gemeinsam mit der großartigen, leibesvollen Sängerin Mary Lambert gesungenen „Same Love“ tauschten 33 homo- und heterosexuelle Paare die Ringe im Saal. Das war amtlich, weil Queen Latifah, die einstige Rapperin, die nun als Schauspielerin reüssiert, die Lizenz zum Trauen hat.

Geht es um schwules Glück, dann ist Madonna meist nicht weit. Und tatsächlich tänzelte sie sogleich in weißem Cowgirl-Anzug samt strassbesetztem Stöckchen an. Ihr Achtzigerjahre-Song „Open Your Heart“ krönte die glückverströmende Szenerie. Die Kluft zwischen Kunst und Leben, zwischen Kitsch und Wirklichkeit wurde da ganz ohne Seltsamkeitsgefühl kurz geschlossen.

Alle Gewinner, viele Bilder: diepresse.com/grammy

Wichtige Grammy-Kategorien

Record of the Year: „Get Lucky“ (Daft Punk), Album: „Random Access Memories“ (Daft Punk), Produce: Pharrell Williams, Song: „Royals“ (Lorde), New Artist: Maclemure & Ryan Lewis, Pop Vocal Album: „Unorthodox Jukebox“ (Bruno Mars), Jazz Vocal Album: „Liquid Spirit“ (Gregory Porter), Dancefloor/Electronica Album: „Random Access Memories“, Traditional Pop Vocal Album: „To Be Loved“ (Michael Bublé), Metal Performance: „God Is Dead?“ (Black Sabbath), Alternative Music Album: „Modern Vampires of the City“ (Vampire Weekend), Opera Recording: „The Tempest“ (Thomas Adès).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2014)

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