„47 Ronin“: Flop mit Keanu Reeves

47 Ronin
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Der japanische Beinahe-Nationalmythos als beliebige Hollywood-Fantasy: Die teure Produktion mit Keanu Reeves wurde zum Kassendesaster. Viel schlechter als die Konkurrenz ist sie dabei nicht. Im Kino.

Um Japan zu verstehen, müsse man die Geschichte der 47 Ronins verstehen, heißt es sinngemäß am Anfang dieses Films. Dem ist prinzipiell zuzustimmen: Es hat seinen guten Grund, warum die als „Chūshingura“ in Japans Kultur tief verwurzelte Geschichte von der bedingungslosen Opferbereitschaft einer Gruppe herrenloser Samurai – eben Ronins – in der Heimat unzählige Adaptionen sowohl in der Literatur als auch auf der Bühne und im Film erfahren hat. Allein im japanischen Fernsehen gibt es fast jährlich eine Neuauflage des klassischen Stoffs. Und alle diese Versionen sind leider geeigneter als Hollywoods aktuelle Neuauflage mit Keanu Reeves, etwas zum Verständnis Japans beizutragen: Sie macht aus dem Beinahe-Nationalmythos nämlich beliebige Blockbuster-Fantasy.

Ähnlichkeiten mit den 300 Spartanern

Keim des Projekts war vermutlich die Ähnlichkeit mit der Legende um den heldenhaften Todeskampf der 300 Spartaner, ein Kinohit als Comicfilm „300“, dem nächsten Monat übrigens eine Fortsetzung folgt: Die 47 Ronins sind Gefolgsleute eines Fürsten, der zum Regelübertritt provoziert und deswegen zum rituellen Suizid verurteilt wird. So zu herrenlosen Samurai geworden, beschreiten die 47Treuen den Weg der Rache und treten schließlich in einer aussichtslos wirkenden Auseinandersetzung gegen eine Übermacht an. Die neue Hollywood-Version konfrontiert die Ronins obendrein mit digitalen Fabelwesen oder bösen Hexen: Die sorglos eingefügten Elemente passen zu einem Film, der sich in die oberflächliche Historienexotik von jüngeren US-Versuchen über Japan wie „Der letzte Samurai“ oder „Die Geisha“ einfügt. Schöne Landschaften, bunte Kostüme, große Gefühle, gar gelegentliche Grenzüberschreitungen in Richtung unfreiwilliger Komik – wer braucht da noch den spirituellen Kern, auch wenn sich diesem eigentlich die Langlebigkeit der Geschichte verdankt?

So gesehen ist es jedenfalls kein Wunder, dass der Film in Japan floppte. Doch auch in den USA war die teure Produktion ein finanzielles Desaster – wiewohl sie eigentlich nicht schlechter ist als die meisten Fantasyfilme aus Hollywood. Aber schon die sich über Jahre hinziehende Produktionsgeschichte sorgte für einen schlechten Vorabruf. Keanu Reeves, dessen Ronin man übrigens zum halben Briten gemacht hat, bleibt also in der Rollenwahl vom Unglück verfolgt. Und der ebenso unglückliche Regiedebütant Carl Rinsch muss sich nach zahllosen Studioänderungen selbst schon wie einer der Ronin gefühlt haben, im nivellierten Endresultat ist dennoch keine Tragik zu spüren.

Für Berieselung reicht es. Wer aber Japan verstehen will, sollte sich eine der dortigen „47 Ronin“-Versionen besorgen, am besten das von Kenji Mizoguchi 1941 zwischen Shakespeare-Ambitionen und Propagandaauftrag in atemberaubend präzisen Kamerafahrten hingezirkelte Meisterwerk. (hub)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2014)

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