Eishockey: „Es wird das beste Turnier aller Zeiten“

EISHOCKEY, Olympia
EISHOCKEY, Olympia(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)
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142 NHL-Stars schmücken das Olympia-Turnier, bei dem Österreich erstmals seit 2002 wieder mitwirken wird. Finnlands Superstar Teemu Selänne, 43, träumt von Gold, spricht über Ehre, Stellenwert und den „Fluch der Schweden“.

Adler. Es waren drei simple Charterflüge, doch an Bord war besonders wertvolle Fracht: NHL-Superstars im Gesamtwert von mehreren hundert Millionen Dollar. Der Kanadier Sidney Crosby, der Russe Alexander Owetschkin, der Tscheche Jaromir Jagr, der Finne Teemu Selänne etc. – sie sind der Aufputz für die Winterspiele in Sotschi. 142 Stars wurden aus Amerika eingeflogen, das Turnier beginnt am Mittwoch. Österreich steigt am Donnerstag, neun Uhr, erstmals seit Salt Lake City 2002 wieder auf das olympische Eis, der Gegner ist Finnland.

Olympia ist in Amerika ein Begriff. Seit Nagano 1998 macht die US-Profiliga extra Pause, wenn Winterspiele anstehen, „Abkommen“ mit dem Internationalen Olympischen Komitee machen das möglich. Die TV-Quoten steigen, Sponsorgelder werden geteilt – und, so wird es im Kabinengang gehandhabt, Dopingtests sind nicht erwünscht . . .

Finnen gewinnen immer?

Für den NHL-Klub Anaheim Ducks gleicht das Turnier in Sotschi einem Betriebsausflug. Sieben Spieler sind im Einsatz, einer von ihnen ist der finnische Superstar Teemu Selänne. Er führt Finnlands „Leijonat“ (Löwen) an, dafür nimmt der mittlerweile 43-Jährige alle Strapazen der langen Anreise, der Zeitverschiebung von elf Stunden im Vergleich zu Kalifornien und etwaige Verletzungsgefahren in Kauf. „Und“, sagt er der „Presse“, „für mein Heimatland zu spielen ist eine große Verpflichtung. Es ist eine Herzensangelegenheit. Es wird ein herrliches Turnier. Suomalaiset voitta aina!“

Finnen gewinnen immer, das heißt dieser Satz auf Deutsch, nur ganz so stimmt das im Eishockey nicht. Selänne, der seine sechsten und letzten Spiele bestreitet und neuer Rekordhalter in seiner Heimat wird, spielte damit auf den Nationalstolz an. „Sisu“, also Quell der inneren Kraft, sei vor allem im Eishockey gefragt. Es ist der Nationalsport, steht in der Wahrnehmung neben Formel 1 und Rallye, dahinter kommt lange nichts. „Deshalb sind wir alle immer bereit, für das Team zu spielen“, sagt Selänne, „da gibt es keine Diskussion.“ Wer absagt, ist unten durch.

Gewinnen die Finnen eine WM, das geschah 1995 und 2011, steht das Land Kopf. Es herrscht Hysterie, selbst wenn sich Trainer blamieren und mit dem Pokal die Gangway des Flugzeuges hinunterstolpern, hält die Freude an. Genau das ist aber Selännes größter Wermutstropfen. Der „Finnish Flash“, wie er in Amerika aufgrund seiner Schnelligkeit gerufen wird, wurde von seinem NHL-Klub nicht freigestellt. Auch war er oft verletzt. „Ich musste diese Siege im Fernseher und Internet-Livestream verfolgen, es hat wehgetan“, so Selänne.

Der Hermann Maier von Finnland

Aber bei Olympia gebe es kein Halten. Und auch das plagt die Puck-Seele – Finnland hat Olympia nie gewonnen. Bronze, Silber, alles da, vier Medaillen in den vergangenen fünf Spielen und damit so viele wie kein anderes Land, aber kein Gold. Die bitterste Niederlage setzte es 2006, im Finale unterlag man Schweden. Das sei „furchtbar“ gewesen, so Selänne. Der Spott, der Hohn – immer gewinnen die Schweden, Selänne schüttelt den Kopf. „Es ist ein wirklicher Fluch.“

Für Österreicher ist der Hype, der im hohen Norden um Eishockey gemacht wird, schwer nachvollziehbar. Natürlich, es gibt Thomas Vanek, Michael Grabner und Michael Raffl, sie alle spielen in der NHL, aber es herrscht nicht so ein landesweiter Kult um die Cracks. Doch dieser Vergleich ist zulässig: Selänne ist wohl der Hermann Maier der Finnen. Medien verfolgen jeden seiner Schritte, berichten über sein Lokal Steak Tavern, Homestorys und TV-Sendungen zeigen täglich die „Helden in Übersee“. Selänne spielt seit 1992 in Amerika, der „Blitz“ schlug in Winnipeg ein, danach begann eine Reise zwischen Anaheim, San José und Colorado. Erst mit Anaheim gewann er 2007 den Stanley Cup, er hat über 1400 NHL-Spiele absolviert. „Den Stanley-Cup-Sieg werde ich nie vergessen, darauf musste ich so lange warten.“

Neun Finnen tragen NHL-Champion-Ringe, das ist im Vergleich mit Puck-Nationen wie Russland, Tschechien und Schweden verschwindend wenig. Doch es ist Balsam für das schwere Los der finnischen Sportseele. Die einst populäre Leichtathletik ist tot, Schwimmen, Skispringen und Langlauf leiden unter Budgetproblemen, Fußball ist eine Randerscheinung – es fehlen Sieger, oder Typen. Figuren wie Selänne, der mit 43 noch immer nicht aufhört, dessen Gesicht mit 40 Stichen genäht werden musste, der Stammgast beim Zahnarzt ist – energiegeladen eisläuft und unheimlich scharf schießen kann.

Österreich ist Finnlands Auftaktgegner am Donnerstag, Selänne kennt natürlich seine NHL-Kollegen, nach dem Rest der Spieler zu fragen wäre sinnlos. Alpo Suhonen, den ÖEHV-Sportdirektor, kennt er, ja. Aber den Sieg der „Löwen“ über die „Adler“ wird das nicht verhindern. In der Gruppe B warten noch Kanada und Norwegen, der Aufstieg ist gewiss, alles Weitere eine Frage des Glücks. „Wir haben eine super Mannschaft“, sagt Selänne, „alle guten Spieler sind da, das sind die besten Vorzeichen. Aber auch alle anderen haben ihre NHL-Stars an Bord. Ich glaube, das wird das beste Turnier aller Zeiten!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2014)

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