Schilda ist in Wien

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein paar Anmerkungen zur wahrscheinlich peinlichsten Posse des Landes. Oder: Wie eine Partei eine Fußgängerzone zu verhindern sucht.

In den letzten Stunden haben die Grünen noch einmal alles gegeben: Dutzende Werbebriefchen flatterten in die Haushalte von Wien-Mariahilf und -Neubau. (Wären sie von einer anderen Partei, die Grünen würden mit Sicherheit „Missbrauch von Partei- und damit Steuergeld für ein teures regionales Prestigeprojekt“ brüllen.) Plakate mit kleinen Kindern, Hunden und Katzen wurden affichiert, um für die Fußgängerzone zu werben. In letzter Sekunde wurden panisch und über Nacht Dutzende Anrainerparkplätze als kleine Wahlgeschenke eingerichtet und der lokale Schilderwald endlich komplettiert. Lokale Freunde der Rathaus-Clique formieren sich in smarten Bürgerinitiativen. Christoph Chorherr, Maria Vassilakous Stadtplanungs-Rasputin – am Richelieu arbeitet er verzweifelt –, wurde dezent versteckt, um nicht noch durch Agitation Befürworter der Fußgängerzone unabsichtlich umzudrehen.

Und der arme Alexander Van der Bellen, zufällig Anrainer – hätte er das nur früher gewusst, auf nach Osttirol! – und eigentlich Feind jeder Ansammlung von Menschen, mit oder ohne Auto, muss wieder einmal in den Wahlkampf ziehen. Der Begriff grüner Begegnungszonen-Volkssturm ist leider zu politisch unkorrekt.

Nein, die ehemalige erfolgreiche politische Kleinpartei geht leider einen sonderbaren Weg: Statt von der SPÖ effiziente politische Planung und Umsetzung zu lernen, übernimmt sie deren Tradition im Manipulieren und argumentativen Einlullen. Denn als Anrainer der Nervensägenmeile – sind wir das nicht längst alle? – muss ich leider feststellen: Bei einer so wichtigen Straße sollten alle Bewohner der Stadt abstimmen. Wenn man Angst vor direkter Demokratie hat, bitte ganz lassen. Oder sind Autobahnen und Bahntunnel Sache der betroffenen Bezirke in Österreich? Das wird interessant.

Als Nichtautofahrer darf ich wiederholen, was viele Architekten hinter vorgehaltener Hand sagen: Die Kleinstadt erkennst du an ihrer Fußgängerzone und den dazugehörigen Textilketten. Untertags drängen sich die Konsummassen, nachts im besten Fall vereinsamte Polizisten. Ein lang gezogenes Einkaufszentrum ohne Dach und mit zu wenigen Garagen als politisches Ziel einer alternativen Partei? Das muss diese Nachhaltigkeit sein, die sich die Grünen an die Fahnen heften. Die Kärntner Straße ist genau so ein toter Stadtplanungshund. Nein, die moderne Stadtplanung ist schon weiter: Verkehrsberuhigung ja, aber flächendeckend. Fußgängerzonen ja, aber auf vielen verschiedenen, auf Wiederbelebung wartenden, kleineren Bezirksplätzen. Fahrradfahrer ja, aber nicht auf einer abschüssigen Breitbahn mit Schikanen wie Kinderwagen und Einkaufssack-Touristen. Autoverkehr ja, aber nicht ständig und überall. Nein, Wien ist nicht Kopenhagen, sondern im Vergleich eine schicke Stadt. So wie sie die Grünen lieben.

Soll also heißen: Mit viel Glück schaffen es die Grünen, zumindest ihre Funktionäre dazu zu bringen, für diese Begegnungszone zu stimmen. Vielleicht schaffen es die Grünen aber auch, dass 2014 eine harmlose, passable Fußgängerzone ganz abgelehnt wird. Das ist dann aber ganz aus eigener Kraft und ohne jede fremde Unterstützung gelungen.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2014)

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