Pop

Einmal Hippie, immer Hippie

(c) EPA (ANDREW GOMBERT)
  • Drucken

David Crosby hält an seinen Idealen fest. Mit "Croz" legt der ehemalige Harmoniesänger der Byrds und von CSNY ein nicht mehr erwartetes Meisterwerk vor.

Dass er noch lebt, erstaunt David Crosby selbst am meisten. Er laboriert an Hepatitis C und hat seit 1994 eine transplantierte Leber. Außerdem zieren sein gebrechliches Herz nicht weniger als fünf Stents. Und weil das nicht genug ist, leidet er auch unter Diabetes. Immerhin ist er noch visuell erkennbar. Die langen Haare, sein Markenzeichen, die er in seinem Song „Almost Cut My Hair“ als „Freak flag“ bezeichnete, wehen ihm immer noch vom Schädel. Und auch sein Walrossschnauzbart ist derselbe, wenngleich er heute silbern leuchtet.

Crosby lebte das Hippieleben exzessiv. Die Kleinfamilie wurde zugunsten frei flottierender Sexualität aufgegeben. Statt nüchtern den Blick auf die Realität zu wagen, präferierte man das permanente Zugedröhntsein. Heute beschreibt Crosby die Bewusstseinslage, als er 1964 bei der Westcoastband The Byrds anheuerte, zärtlich so: „We were herbally enhanced.“ Später, im Sonnenschein von Kalifornien, als Teil von Crosby, Stills, Nash & Young, kamen gefährlichere Substanzen hinzu: Kokain, Heroin. Und auch das Gift der Liebe zu Joni Mitchell zehrte an Crosby. „Falling in love with Joni Mitchell was a bit like falling into a cement mixer“, erinnert er sich. Eine Zeitlang saß er sogar wegen Drogen- und Waffendelikten im Gefängnis. Doch anders als viele seiner Kollegen, etwa Gene Clark oder Gram Parsons, überlebte Crosby und ist immer noch musikalisch umtriebig. Meist an der Seite seines Seelenbruders Graham Nash, nun endlich auch wieder solo.

Song über das Grauen der Drohnen

Nach 20 Jahren Pause hat der heute 72-Jährige endlich wieder ein Soloalbum eingespielt. Schlicht „Croz“ betitelt, ist es sanft tönendes Zeugnis eines mitfühlenden Beobachters von sozialen Verwerfungen. Mit sanftem Duktus durchmisst er in „Morning Falling“ das Grauen, das Drohnenangriffe an fernen Orten anrichten. Er ergeht sich nicht bloß in poetisch verbrämter Empathie, sondern weist auf die Konsequenzen hin: „A world away the trigger is pulled, and here is no reason to forgive.“

Es gehört bei diesem Veteranen des Protests also immer noch zur seelischen Grundausstattung, der eigenen Regierung zu misstrauen. Obwohl zu Zeiten des Vietnamkriegs jeder der damaligen Protestsänger knietief in eigenen Problemen steckte, wollten sie vorrangig die Welt retten. Crosbys 1970 mithilfe von Jerry Garcia entstandenes, heute von einer neuen Generation geschätztes Solodebüt „If I Could Only Remember My Name“ wich von dieser Route ab. Es beeindruckte eher mit mehrspurigen Gesangsexperimenten als mit politischen Slogans. Mehrfach wurde es wieder aufgelegt und 2010 sogar vom Vatikanblatt „L'Osservatore Romano“ als Beispiel für Popmusik genannt, die päpstlicherseits empfohlen werden kann.

Während die Seelenzerknirschungen dieses Klassikers auf das Trauma des Todes von Crosbsy damaliger Freundin zurückzuführen waren, leidet Crosby in seinen aktuellen Liedern mit größerer Streuung: Er hat gesellschaftliche Außenseiter im Fokus. Im traurigen „If She Called“ stellt er sich etwa die Frage, wie sich junge Prostituierte vor den seelischen Verheerungen ihrer Tätigkeit schützen.

Einige der neuen Lieder kommen von Crosbys Sohn James Raymond. So auch der Album-Opener „What's Broken“, der herrlich naiv soziale Fragen thematisiert, als wäre Altamont nie passiert. In früheren Zeiten wäre dieses Lied zur Hippiehymne geworden. Zum zarten Groove fragt Crosby: „Who wants to see an abandoned soul, who wants to know what desperate is?“ Dazu spielt Mark Knopfler, ohne ein Honorar dafür genommen zu haben, eine Lagerfeuergitarrenmelodie. Selten hat eine Low-Budget-Produktion so edel geklungen wie „Croz“. Viel Fender Rhodes Piano, ein wenig Synthesizer und viele Akustikklänge prägen das Klangbild. Für „Holding On To Nothing“ spendete sogar Wynton Marsalis ein inniges Trompetensolo. Ein Teil von Crosby weiß, dass Idealismus nicht viel bringt. Dennoch hält er ihm die Treue. „I try to write Buddha and it comes out guns, I vote for peace and the blood still runs.“ Crosby singt diese Zeilen ohne Bitterkeit. Es ist der Gleichmut, der ihn treibt. Und der ist rar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.