Die hohe Kunst des politischen Pfuschs im Hohen Haus

Bei der Sitzung des Nationalrats am Montag haben sich wieder alle Fraktionen in Selbstbeschädigung übertroffen. Von politischer Dramaturgie war weit und breit keine Spur.

Also das erforderte am Montag schon ein ausgeprägtes Talent zur Selbstbeschädigung - der Regierungsparteien und der Oppositionsparteien gemeinsam: Stundenlang eine Debatte im Nationalrat abzuführen, von der schließlich keine Fraktion politisch in irgendeiner Weise profitierte.
Und das kam so:
Die Tagesordnung war entgegen der ursprünglichen Vereinbarung am Wochenende noch geändert worden, um Außenminister Sebastian Kurz Gelegenheit zu einer Erklärung zur Lage der Ukraine zu geben. Gleich vorweg: Er hat sich damit nichts Gutes getan.
Wenn es kein Einverständnis über eine Änderung gibt, besteht der Anspruch auf eine Einwendungsdebatte. Gleich vorweg: Diese dauerte länger als die Debatte über die Aussagen des Außenministers.
Laut Präsidentin Barbara Prammer hatten alle Fraktionen außer der FPÖ am Wochenende dem geänderten Fahrplan zugestimmt. Bei der Einwendungsdebatte empörte sich die Opposition geschlossen. Geeint hat sie der Verdacht: SPÖ und ÖVP wollten mit dem Einschub der Ukraine-Erklärung lediglich die Debatte über das Belastungspaket alias Abgabenänderungsgesetz so weit in den Nachmittag schieben, dass ORF 2 nicht mehr direkt überträgt.
Also wurde knapp eine Stunde darüber geredet. Zum Teil auch über die Ukraine, obwohl Kurz noch kein Wort gesagt hatte.
Um 13.40 Uhr schließlich setzte Kurz zu seiner Erklärung an. Sie dauerte exakt acht Minuten, in denen die Abgeordneten hörten, was sie in den letzten Tage in den Medien erfahren hatten, wie Kurz „gerade als junger Mensch" sich eine Situation wie in der Ukraine gar nicht vorstellen kann, wie Österreich mittels EU den Studentenaustausch mit der Ukraine forcieren, Vertretern von NGOs mit Drei-Monate-Visa die Gebühr ersparen und mittels Justizkooperation zum Aufbau des Rechtsstaates beitragen will. Die folgende Kritik, er hätte nichts Neues gesagt, war berechtigt.
Die Debatte über diese acht Minuten war dann dementsprechend lustlos und rhetorisch eingeschränkt - mit Ausnahme von ÖVP-Klubobmann Reinhard Lopatka, Ex-Staatssekretär im Außenamt.
Um etwa 14.45 Uhr begann dann die Auseinandersetzung um die Steuererhöhungen - allerdings schon vor sehr schütteren Reihen in allen Fraktionen. Offenbar zählen die TV-Kameras von ORF III nicht so viel wie jene von ORF 2.
Fazit: Weder konnte die Opposition die Debatte um den Auftritt des Außenministers (wegen der Überlänge der Einwendungsdebatte) noch über die Steuererhöhungen in der guten Sendezeit unterbringen.
Weder konnte die ÖVP ihren Außenminister in ORF 2 präsentieren, noch zur „guten Sendezeit" den Vorwurf, hier mit der Tagesordnung getrickst zu haben, der Öffentlichkeit verheimlichen.
Das ganze Theater hatte also für niemanden irgendeinen kommunikationstechnischen oder politischen Nutzen.
Da war es dann irgendwie passend, dass die Neos auch noch mit einer Dringlichen Anfrage ihr eigenes Aufbegehren gegen die neuen Steuern konterkarierten: Um 16.15 Uhr wurde die Debatte unterbrochen. Gegenstand der Anfrage: Das Burgtheater.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Politik

Steuerpaket fix: Regierung hofft auf "Verhaltensänderung"

Nachlese Der Nationalrat hat Steuererhöhungen beschlossen, die vor allem Raucher und Unternehmer treffen. Die Opposition kritisierte die "Grauslichkeiten". DiePresse.com berichtete live aus dem Parlament.
NATIONALRAT : SPINDELEGGER/KURZ.
Innenpolitik

Koalition belastet Autofahrer, Raucher, Trinker und Betriebe

Eine Milliarde Euro bringen die Steuererhöhungen. Vorher aber lieferten sich Koalition und Opposition noch ein Geplänkel um die Verwendung der Redezeit während der Übertragung im Fernsehen.
Politik

Faymann und Spindelegger im Großeinsatz

Nach dem Beschluss des Steuerpakets starten die Regierungsparteien Mitte März eine gemeinsame Infotour.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.