Ukraine: Mächtigster Oligarch sagt sich offiziell von Janukowitsch los

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Der Maidan stimmt heute über neue Minister ab. Indes tauchen neue Dokumente über das Luxusleben des gestürzten Präsidenten auf. "Presse"-Redakteurin Jutta Sommerbauer berichtet live aus Kiew.

Der einstige Finanzier des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch stellt sich nun hinter die neuen Machthaber. Das erklärte die Holding von Achmetow "System Capital Management". Demnach unterstütze der Konzern den neuen Reformkurs.

Auch ein anderer wichtiger Finanzier Janukowitschs hat sich von ihm losgesagt. Dmitrij Firtasch, Präsident des Arbeitgeberverbandes und wichtiger Spieler im Energiegeschäft, weilte gestеrn in London. Dort soll er sich mit Beamten des Außenministeriums getroffen haben. Er sammle Geld für die neue Regierung, hieß es.

Sowohl Achmetow als auch Firtasch "kontrollieren" Abgeordnete im Kiewer Parlament. Zuletzt hatten sich mehr als 70 Parlmentarier von der Fraktion der bisherigen Regierungspartei "Partei der Regionen" losgesagt. Laut Angaben des "Spiegel" hat Achmetow 60 loyale Abgeordnete, Firtasch 30.

Janukowitsch kauft Möbel um2,78 Mio. Euro

Ukrainische Journalisten haben das Internetprojekt "Yanukovych Leaks" ins Leben gerufen. Auf der Webseite www.yanukovychleaks.org veröffentlichen sie Dokumente, die in der Residenz Mischhirja am Rande Kiews gefunden wurden. Der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch war am vergangenen Samstag überhastet aus seinem luxuriösen Anwesen geflohen. Hunderte Dokumente wurden im Fluss Dnjeprs gefunden; jemand hatte offenbar versucht, die Spuren zu vernichten. Aus den Papieren lassen sich vor allem Informationen über die Finanzgebarung auf Mischhirja gewinnen. Der Präsident ließ sich seine Einrichtung einiges kosten. Aus den Papieren geht etwa hervor, dass Janukowitsch im Jahr 2010 Möbel des Designers Andrea Turri im Wert von umgerechnet 2,78 Millionen Euro bestellt.

Der Maidan stimmt heute über die Minister ab

Das Volk hat das letzte Wort – oder zumindest das vorletzte. Diese Devise gilt derzeit in der Ukraine bei der Bildung des „Kabinetts des nationalen Vertrauens“. Heute (Mittwoch) Abend um 19 Uhr Lokalzeit sollen die Besetzer des Maidan die Ministerliste der künftigen Regierungskoaliton absegnen. Die drei bisherigen Oppositionsparteien, Timoschenkos Vaterlandspartei, Udar und Swoboda, wollen sich den Segen des Volkes holen – andernfalls drohen Unmut und weitere Demonstrationen. Die offizielle Wahl der Regierung steht für Donnerstag im Parlament an. Er glaube nicht, dass das Parlament sich gegen den Willen des Maidan aussprechen werden, erklärte der Politikwissenschaftler Aleksej Galan gegenüber der Agentur Interfax Ukrain

Dem Vernehmen nach ist ein Drittel der Posten für Vertreter der Prostestbewegung vorgesehen. So soll das Kulturministerium von Jewgenij Nischuk geführt werden. Er ist Moderator auf der großen Bühne des Kiewer Unabhängigkeitsplatzes und gilt als „Stimme des Maidan“. Das Sportministerium soll einem der Anführer des „Automaidan“ überlassen werden – vermutlich dem entführten und gefoltertem Aktivisten Dmitrij Bulatow. Auch das Bildungsministerium geht an die Maidan-Aktivisten. Das Verteidiungsministerium könnte Andrej Parubij führen – er ist der Kommandant des Maidan und Abgeordneter von Timoschenkos Vaterlandpartei.

Freilich: Die einflussreichen Ressorts werden mit Parteienvertretern besetzt. Als Premierminister wird neben Arseni Jazenjuk der Industrielle und Oppositionsfinanzier Petro Poroschenko gehandelt. Als Justizminister ist der 34-jährige Vaterlands-Abgeordnete Pawel Petrenko im Gespräch; als Außenminister der erfahrene Diplomat und ebenfalls Vaterlands-Politiker Boris Tarasjuk.

Auffällig in dem vorläufigen Vorschlag ist die Dominanz von Mitgliedern der Vaterlandspartei. Einerseits ist Timoschenkos Partei die größte Oppositionskraft. Aus den Kreisen von Udar und Swoboda war aber auch zu hören, dass man nicht unbedingt darauf bestehe, ein Ressort zu führen. Offenbar konzentrieren Klitschko und Tjagnibok ihre Kräfte auf den Präsidentschaftswahlkampf, der offiziell am Dienstag begonnen hat. Politische Lorbeeren kann man in dem Übergangskabinett nicht allzu viele sammeln, es bedeutet vor allem harte Arbeit und unpopuläre Maßnahmen. Es ist außerdem noch nicht klar, wie lange die Regierung im Amt bleiben wird. Parlamentswahlen sind entweder für Mai oder für Herbst im Gespräch.

In der Regierung sind weiters ein Antikorruptionsbüro, eine Kommission für Lustration und ein Menschenrechtsbeauftragter vorgesehen. Als Menschenrechtsbeauftragter ist Jewgenij Sacharow im Gespräch. Er ist ein früherer Dissident und leitet die ukrainische Vertretung des Helsinki Komitees, einer angesehenen Menschenrechtsorganisation.

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