Die Mickymäuse von Straßburg

Deutsche Richter halten das EU-Parlament für eine Kinderveranstaltung.

Europaabgeordnete haben oft einen Hang zur Dünnhäutigkeit, was Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihrer Berufstätigkeit anbelangt. Angesichts der Entstehungsgeschichte des EU-Parlaments ist das auch wenig verwunderlich: Anfangs als reiner „Talking Shop“ konzipiert, musste sich das hohe Haus Europas seine Kompetenzen Schritt für Schritt erkämpfen. Spätestens seit dem Vertrag von Lissabon ist allerdings klar, dass in der Europapolitik am Parlament kein Weg mehr vorbeiführt – zu umfangreich ist mittlerweile das Mitspracherecht seiner 753 Mandatare.

Bis nach Karlsruhe scheint sich diese Entwicklung nicht herumgesprochen zu haben. Denn die gestrige Entscheidung der deutschen Verfassungsrichter, die Dreiprozenthürde bei der kommenden Europawahl abzuschaffen, bedeutet nichts anders, als dass sie das Europaparlament für eine Kinderveranstaltung und die EU-Abgeordneten für Mickymäuse halten. Die Richter begründen ihr Urteil damit, dass das Europaparlament keine Stabilität benötige, um zu funktionieren. Anders die Lage im Parlament für Erwachsene, also dem deutschen Bundestag, in dem stabile Mehrheiten für „die Wahl einer handlungsfähigen Regierung“ notwendig seien.

Angesichts der Tatsache, dass das EU-Parlament den nächsten Kommissionspräsidenten wählen soll, lässt diese Erklärung nur einen Schluss zu: Ob die EU-Kommission handlungsfähig ist oder nicht, ist Karlsruhe herzlich egal.

michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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